Juristin: Dobrindt muss sich an EU-Recht halten

Juristin: Dobrindt muss sich an EU-Recht halten

München (epd). Die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) forcierten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen missachten nach Auffassung der Fachanwältin für Migrationsrecht, Gisela Seidler, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin und des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. „Auch wenn ein Gesetz oder eine Rechtsprechung einem nicht gefällt, muss man sich als Exekutive daran halten“, sagte Seidler, Vorsitzende im Gesetzgebungsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in mehreren Eilverfahren die von Dobrindt verfügte Zurückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen für rechtswidrig erklärt. Deutschland müsse bei den drei somalischen Antragstellern, darunter auch eine unbegleitete Minderjährige, zunächst in einem eigenen, dem sogenannten Dublin-Verfahren, klären, welcher EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist.

Der Bundesinnenminister hatte dies nicht für notwendig gehalten und die Entscheidung der Berliner Richter zum Einzelfall erklärt. „Dabei hatte jeder ernsthafte Jurist gesagt, dass die von Dobrindt propagierten Zurückweisungen von Asylbewerbern ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens gegen EU-Recht verstoßen“, sagte Seidler.

Als Reaktion auf die unanfechtbaren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts hatte Dobrindt angekündigt, die Rechtsfrage im Hauptsacheverfahren klären zu lassen. „Dies ist aber nicht möglich, da die Berliner Richter mit ihren Beschlüssen das Hauptsacheverfahren vorweggenommen haben“, so die Anwältin.

Zudem habe das Gericht keine reine Einzelfallentscheidung getroffen. Es habe sich vielmehr grundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob Asylsuchende bei Grenzkontrollen ohne Beachtung des EU-Rechts zurückgewiesen werden dürfen. Dies werde auch darin deutlich, dass kein Einzelrichter über die Fälle entschieden hat, sondern eine ganze Kammer des Gerichts, welche sich umfassend mit der EuGH-Rechtsprechung auseinandergesetzt habe, erklärte Seidler.

Letztlich sei das Vorgehen des Bundesinnenministeriums als reine Symbolpolitik zu werten und betreffe nur sehr wenige Menschen. Eine Notfallsituation, die Zurückweisungen ausnahmsweise rechtfertigen könnten, gebe es laut dem Verwaltungsgericht nicht. Bedenklich sei vielmehr, dass ein Bundesminister sich nicht an die geltende Rechtsprechung des EuGH halte und „einfach so weitermachen“ wolle, kritisierte die Anwältin. „Auch Herr Dobrindt muss sich an das EU-Recht halten“, sagte Seidler. Andernfalls drohe der Rechtsstaat auf der Strecke zu bleiben.