"Gewalt verletzt die Seelen der Kinder"

Pädagogin Kateryna Buchko mit Schülern
epd/Krüger-Hundrup
Pädagogin Kateryna Buchko: Sieben Millionen Kindern sind vom Krieg in der Ukraine betroffen.
Ukrainerin spricht mit Schülern
"Gewalt verletzt die Seelen der Kinder"
Bamberger Schüler hören aus dem Mund einer ukrainischen Pädagogin, wie der Krieg in der Ukraine ihre Altersgenossen belastet. In anderen Schulen in Bayern werden die Folgen des Konflikts aber auch thematisiert.

Die elfjährige Kateryna Dyachenko strahlt auf diesem Foto über das ganze Gesicht. Sie hat soeben einen Sportwettbewerb gewonnen, ist verheißungsvolle Hoffnung der Ukraine auf weitere Medaillen. Doch ihr junges Leben endet jäh: Kateryna Dyachenko stirbt am 23. März 2022 bei einem russischen Luftangriff auf Mariupol. Ihr Elternhaus wird im Bombenhagel völlig zerstört.

Beklemmende Stille herrscht unter den Schülern und Schülerinnen der 11. Klassen des Bamberger Kaiser-Heinrich-Gymnasiums. Der seit nunmehr über drei Jahren tobende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat ein Gesicht bekommen. Und zwar auf Initiative von Studienrat Bernd Franze, Lehrer für Deutsch und Religion. Er hat auf das Angebot des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis und des Erzbistums Bamberg zurückgegriffen, einen Gast aus der Ukraine authentisch über die Auswirkungen des anhaltenden Krieges auf Kinder berichten zu lassen.

So gestaltet die promovierte Theologin und Pädagogin Kateryna Buchko Unterrichtsstunden, die den Gymnasiasten unter die Haut gehen. Buchko, Dozentin am Lehrstuhl für Pädagogik und Soziale Arbeit der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv, forscht gegenwärtig an der University of Stirling (Schottland) zu Erfahrungen ukrainischer Flüchtlinge und traumatisierter Kinder und begleitet parallel Therapien für kriegsgeschädigte Kinder in ihrem Heimatland. "Gewalt verletzt besonders die Seelen der Kinder", weiß die Expertin nur zu gut.

Pädagogin Kateryna Buchko

Sie spricht von einem "totalen Angriff Russlands auf die Ukraine", von "Genoziden gegenüber der Zivilbevölkerung", von "sieben Millionen Kindern, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind", von "60 Prozent aller Schulpflichtigen, die ihre Heimat verloren haben und als Binnen- oder Auslandsflüchtlinge leben müssen". Das sei gerade für junge Menschen eine existenzielle Herausforderung, erklärt Buchko: "Was haben sie alles vor, auf, nach der Flucht mitgemacht?"

"Das Trauma ist nicht mehr zu bewältigen"

Der kindliche Körper und die Seele seien in einem Ausnahmezustand und von Ereignissen wie Trennung von Vätern, Lehrern und Freunden, von Bombardierungen, Verletzungen, Hunger, Erschießungen, sexueller Gewalt überfordert: "Das Trauma ist nicht mehr zu bewältigen", beklagt die Ukrainerin. Und: "Es gibt keinen sicheren Ort in der Heimat, russische Raketen schlagen sogar in Kindergärten und Krankenhäuser ein."

Umso intensiver sei das Bemühen der Fachkräfte, für Kinder Horte der Zuflucht zu schaffen. Besonders die Schulen, die nach wie vor arbeiten würden, seien in ihrer Verlässlichkeit gefordert: "Die gibt Kontrolle über sich selbst zurück", betont Kateryna Buchko. Auch eine Kontinuität des Tagesablaufs stabilisiere.

Ebenso könnten ein achtsamer Umgang, die Pflege von Ritualen oder aufmerksames Zuhören Traumatisierten helfen. "Einfache Sachen auf der Ebene von Gemeinschaft sind wichtig" wie sportliche Bewegung oder Musikmachen.
Das Bamberger Kaiser-Heinrich-Gymnasium ist die einzige Schule, die Kateryna Buchko während ihres Deutschlandaufenthalts im Rahmen der diesjährigen Pfingstaktion von Renovabis besucht. Gleichwohl gehen Lehrkräfte auf das aktuelle Zeitgeschehen anderweitig im Unterricht ein. Gerade bei einschneidenden Ereignissen bestehe auf Schülerseite das große und verständliche Interesse, das im Fernsehen oder den sozialen Medien Gesehene zu besprechen und damit auch ein Stück weit zu verarbeiten, sagt Daniel Otto, Pressesprecher des Bayerischen Kultusministeriums auf Anfrage.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine liege in der pädagogischen Eigenverantwortlichkeit der Schulen und Lehrkräfte. Darüber hinaus sei im Lehrplan PLUS das für alle Schularten verbindliche fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsziel der Politischen Bildung als Auftrag verankert. Der Sprecher des Kultusministeriums: "Auch die Einladung von Referenten ist eine in vielerlei Hinsicht bewährte und sinnvolle Möglichkeit, Konflikte wie den Ukraine-Krieg noch näher zu thematisieren."