Bielefeld (epd). In Bielefeld haben am Samstag rund 600 Menschen gegen eine rechtsextreme Instrumentalisierung des mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriffs eine Woche zuvor protestiert. Sie reagierten mit einer Mahnwache und einer Demonstration vor dem Hauptbahnhof auf einen Aufzug von rund 30 Rechtsextremisten, der am Mittag einmal um die Stadthalle zog. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen im Einsatz, um die Gruppen auseinanderzuhalten. Sie bilanzierte anschließend, das Sicherheitskonzept sei aufgegangen und die Versammlungen seien überwiegend friedlich und störungsfrei verlaufen.
Gut ein Dutzend Menschen seien davon abgehalten worden, den rechtsextremen Aufzug zu stören, erklärte die Polizei. Es habe lediglich verbale Auseinandersetzungen gegeben. Aus einer Gruppe heraus sei Pyrotechnik eingesetzt worden, dagegen seien die Beamten mit Pfefferspray vorgegangen. Verletzte habe es nicht gegeben. Wegen einiger Parolen seien Ermittlungen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten eingeleitet worden. Die Polizeipräsenz war am Samstag auch wegen des Public Viewings zum DFB-Pokalfinale zwischen Arminia Bielefeld und dem VfB Stuttgart am Samstagabend besonders groß. Dort blieb ebenfalls alles friedlich.
Vor der Bar „Cutie“, wo ein Mann vor einer Woche eine Gruppe feiernder junger Leute angegriffen und mehrere von ihnen verletzt hatte, versammelten sich nach einem Aufruf des Bielefelder Bündnisses gegen Rechts rund 300 Menschen zu einer Mahnwache, darunter auch Familien mit Kindern. Eine junge Frau, die mit mehreren Opfern des Angriffs befreundet ist, bedankte sich für die Anteilnahme und Solidarität vieler Menschen. „Die Rechtsextremisten benutzen unseren Schmerz, um ihre menschenverachtende Agenda voranzutreiben“, sagte sie und warb für Vielfalt.
Auch Michael Gugat vom Bündnis gegen Rechts warnte bei der Mahnwache unter dem Motto „Gegen Hass und Hetze“ vor einer Instrumentalisierung des Messerangriffs durch Rechtsextremisten. „Wir lassen uns unseren Zusammenhalt nicht nehmen“, sagte er und plädierte für „mehr Miteinander, mehr Verantwortung und mehr Solidarität“. Sicherheit entstehe nicht durch Spaltung, sondern durch Vertrauen. Auf Plakaten hieß es unter anderem „Rassismus ist keine Alternative“, „Nazis nein danke“, „Demokratie stützen“ und „Gemeinsam für Solidarität, Toleranz und Vielfalt“.
Beim Aufzug der rechten Kundgebung wurde unter anderem eine „Remigration“ von Flüchtlingen gefordert. Die Kundgebung fand auf dem Bahnhofsvorplatz in Sichtweite zur Gegendemonstration von fast 300 Menschen unter dem Motto „Gegen Faschismus“ statt.
Am Sonntag vor einer Woche hatte ein 35-jähriger Syrer aus Harsewinkel im Kreis Gütersloh eine Gruppe junger Erwachsener vor der Bar „Cutie“ mit Stichwaffen attackiert und dabei laut Bundesanwaltschaft vier Menschen lebensgefährlich verletzt. Alle sind inzwischen außer Lebensgefahr. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft, ihm werden versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Seit Dienstag ermittelt in dem Fall die Bundesanwaltschaft, weil der Verdacht besteht, dass die Tat religiös motiviert war und als Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuordnen ist.