Wiesbaden, Berlin (epd). Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 251.900 Wohnungen gebaut. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, waren das 14,4 Prozent oder 42.500 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Nach Angaben von Experten fehlen in Deutschland inzwischen Millionen von Sozialwohnungen. Gewerkschaften und Bauverbände nahmen die Bundesregierung in die Pflicht. Sie forderten „einen klaren Kurswechsel - mit Pragmatismus, Planungssicherheit und echten Anreizen für neues Bauen“, wie der Zentralverband Deutsches Baugewerbe verlangte.
Die dazu nötigen Reformen im Baurecht würden schnell kommen, sagte Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) im Morgenmagazin der ARD. „Wir werden den Wohnungsbau-Turbo in den ersten 100 Tagen unserer Regierung auf den Weg bringen“, versprach die Ministerin. Davon würden die für die Baugenehmigungen zuständigen Kommunen unmittelbar profitieren. „So werden beschleunigte Planungsverfahren möglich.“ Zudem betonte Hubertz, dass der Bund in diesem Jahr 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau stecke: „Da muss noch mehr gehen, und es wird noch mehr gehen.“
Die Statistiker verzeichneten im Vorjahr den ersten deutlichen Rückgang, nachdem die Zahl fertiggestellter Wohnungen in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils um 294.000 gelegen hatte. Von den 2024 fertiggestellten Wohnungen befanden sich 215.900 in neu errichteten Wohngebäuden. Das waren 16,1 Prozent oder 41.400 Wohnungen weniger als ein Jahr zuvor.
Besonders stark war der Rückgang bei den meist von Privatpersonen errichteten Ein- und Zweifamilienhäusern: Mit 54.500 Einfamilienhäusern wurden 22,1 Prozent oder 15.400 weniger fertiggestellt als im Vorjahr. Die Zahl neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern fiel um 26,2 Prozent oder 6.300 auf 17.600. In Mehrfamilienhäusern, der zahlenmäßig stärksten und vor allem von Unternehmen gebauten Gebäudeart, wurden 2024 rund 135.300 Neubauwohnungen geschaffen, das waren 13,4 Prozent oder 21.000 weniger als 2023.
Auf den deutlichen Mangel an Sozialwohnungen wies der Leiter des Pestel Instituts in Hannover, Matthias Günther, hin. Seit den 80er Jahren sei die Zahl der Sozialwohnungen von vier Millionen auf etwa eine Million geschrumpft, sagte er in der ARD-Sendung „Mitreden! Deutschland diskutiert“. Nach Berechnungen des Pestel Instituts, das den Wohnungsmarkt analysiert, hätten etwa 11,5 Millionen Haushalte in Deutschland von ihrem Einkommen her ein Anrecht auf eine Sozialwohnung.
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, sagte, das Minus bei den Baugenehmigungen in den vergangenen Jahren wirke sich zeitversetzt auf die Fertigstellungen aus. „Für 2025 rechnen wir mit etwa 225.000 bis 230.000 neuen Wohnungen. Auch 2026 wird sich daran wenig ändern, weil die Genehmigungszahlen drastisch gesunken sind.“ Frühestens mit den Daten für 2026 sei mit messbaren Fortschritten zu rechnen.
Der von Bauministerin Hubertz angekündigte Wohnungsbau-Turbo müsse konkrete Entlastungen und Anreize bringen - etwa durch eine verlängerte Sonderabschreibung, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für Familien und verlässliche KfW-Förderprogramme auch für Neubauten.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt kritisierte die aktuelle Datenlage im Wohnungsbau. Die jährlich im Mai vorgelegten Angaben seien eine reine „Vergangenheitsstatistik“, sagte IG-BAU-Chef Robert Feiger: Künftig müsse es eine monatliche „Bundesstatistik der Baubeginne“ geben. Es könnten fünf lange Jahre vergehen, bis aus einer Baugenehmigung tatsächlich eine Wohnung werde. Im Schnitt seien es heute 26 Monate. „Erst in gut zwei Jahren zu wissen, welche von den heute genehmigten Wohnungen tatsächlich gebaut wurde, ist zu spät“, sagte Feiger.