Hamburg (epd). Die Krankenkasse DAK fordert einen schnellen und umfassenden Umbau der gesetzlichen Pflegeversicherung. „Es ist richtig, dass die Bundesregierung dazu noch in diesem Jahr durch eine Kommission Vorschläge erarbeiten lassen will“, sagte Vorstandschef Andreas Storm am Donnerstag bei der Vorstellung des DAK-Pflegereports 2025 in Hamburg. Doch es brauche bereits jetzt schnelle Finanzhilfen des Bundes, um den drohenden Pflegekollaps abzuwenden.
Für die Untersuchung hat die Kasse nach eigener Darstellung 4.580 Personen zwischen 16 und 70 Jahren befragt, was sie von der Pflegeversorgung halten und wo sie auf Reformen der Politik hoffen. Die Antworten belegten einen eklatanten Vertrauensverlust in das bestehende System der Pflegeversicherung und nähmen die Politik in die Pflicht.
65 Prozent der Befragten hielten die Versorgung für nicht gut. 92 Prozent sagten, gute Pflege hänge vom eigenen Vermögen ab, berichtete Vorstandchef Storm. Zwei Drittel erwarten demnach, sich im Alter gar keine professionelle Pflegeunterstützung leisten zu können. Und 85 Prozent der Menschen sagten, die Politik müsse mehr für die Sicherstellung einer verlässlichen Pflege tun.
Mit Blick auf die großen Defizite in den Pflegekassen mahnte Storm, die Krise in der Pflege erzwinge schnelles Handeln. Die zum Jahreswechsel vorgenommene Beitragssatzerhöhung um 0,2 Prozentpunkte reiche nicht aus, um die Finanzierung der Leistungen zu sichern. Nach aktuellen Berechnungen der Pflegekasse bestehe schon in diesem Jahr ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro, das sich 2026 voraussichtlich auf 3,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln werde. Ohne entschiedenes Gegensteuern müsse der Pflegebeitrag dann um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte steigen.
Storm rief die Regierung unter anderem zur kurzfristigen Rückzahlung der Corona-Hilfen an die Pflegekassen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro auf. Während der Pandemie waren die Pflegekassen verpflichtet worden, unter anderem für Corona-Tests und Pflege-Boni in Pflegeheimen zu zahlen. Für eine Rückzahlung schlägt die DAK zwei Raten über jeweils 2,6 Milliarden Euro vor: die erste in diesem, die zweite im nächsten Jahr.
Der Autor der Erhebung, Thomas Klie vom Institut AGP Sozialforschung, stellte klar, dass es nicht allein darum gehe, mehr Geld in die Pflegekasse zu bekommen. Um das System der Pflege effektiver und auch zukunftssicher zu machen, seien viele Reformschritte nötig. Die Umfrage belegt laut Klie, dass viele Menschen vorhandene Beratungsangebote wie die Pflegestützpunkte nicht kennen. Folglich fehle Betroffenen oft der Zugang zur professionellen pflegerischen Versorgung. Es gehe um die Frage, wie auch in der Pflege gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland gewährleistet werden könnten. „Hier braucht es einheitliche Standards, die sich an den Lebensrealitäten der Betroffenen und an den regionalen Gegebenheiten orientieren“, sagte Klie.
Er warb für das Konzept „Pflegestützpunkt plus“. Ziele seien unter anderem eine bessere Vernetzung und gezielte Steuerung der ehrenamtlichen Hilfen. Die Bundesregierung müsse die Pflegeberatung in den Kommunen ausbauen und gesetzlich neu konzipieren.
Der Arbeitgeberverband Pflege ging auf Distanz zu den Forderungen: „Pflegeberatung ist sinnvoll, aber wird überschätzt, wenn sie als Hauptlösung verkauft wird“, sagte Präsident Thomas Greiner. Zwar wünschten sich und verdienten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mehr Beratung. „Aber damit werden Heimsterben und Versorgungskrise nicht überwunden.“