Mit dem Erbe das Gemeinwohl fördern

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Testamente und Juristische Beratung sind wichtig, wenn man sein Vermögen vererben will.
"Sinnvestieren" in die Zukunft
Mit dem Erbe das Gemeinwohl fördern
Nicht nur ältere Menschen beschäftigen sich mit dem Thema Erbe. Auch Jüngere haben den Wunsch, ihr Geld einem guten Zweck zu spenden. Möglichkeiten gibt es viele, um mit dem eigens erwirtschafteten Geld das gesellschaftliche Gemeinwohl zu fördern. Doch wo beginnt man? Auf was sollte man achten? evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone hat den Fachanwalt für Erbrecht, Dr. Gordian Oertel, und Thomas Schumacher von der Pax Bank zu Erbe, Schenkungen und Stiftungen befragt.

Frau H. aus K. überträgt ihrem unverheirateten Sohn zu Lebzeiten das Haus, in dem sie lebt. Auf Wunsch des Sohnes verzichtet Frau H. darauf, sich ein lebenslanges Wohnrecht an dem Haus vorzubehalten. Zur Begründung erklärt der Sohn ihr, dass ein solches Wohnrecht ihm später in ihrem Erbfall nur Probleme bereiten werde. Nach ein paar Jahren heiratet der Sohn, danach verstirbt er überraschenderweise. Zu ihrer Trauer kommt, dass Frau H. aus ihrem Haus ausziehen muss, da die Ehefrau ihres Sohnes das Haus für sich beansprucht.

Das Szenario, das Dr. Gordian Oertel, Fachanwalt für Erbrecht, in seinem Seminar bei Don Bosco Mondo vorträgt, schockiert die Teilnehmer. Doch wie kann man gewährleisten, dass mit dem Erbe kein Schindluder getrieben wird? Welche Absicherungen gibt es? "Immer wieder erreichen uns Fragen zur Nachlassgestaltung und dazu, wie man mit einem Testament Gutes bewirken kann. Besonders im fortgeschrittenen Alter setzen sich viele Menschen intensiv mit diesen Themen auseinander", erklärt Imke Spannuth, Referentin für private Förderer und Nachlassfundraising bei der Nichtregierungsorganisation Don Bosco Mondo. "Deshalb bieten wir regelmäßig kostenfreie Info-Veranstaltungen mit Expertinnen und Experten an – sowohl online als auch vor Ort."

Das Seminar "Wie vererbe ich mein Eigenheim richtig? – Testamentsgestaltung, Fallstricke und Erbschaftsteuer" ist gut besucht, die Mehrheit der Interessierten sind ältere Menschen. "Die Fragestellung der Menschen, die mich zwecks einer Beratung aufsuchen, ist eigentlich immer ähnlich, die finanziellen und verwandtschaftlichen Situationen variieren", erklärt Dr. Gordian Oertel. "Oft möchten die Menschen mit ihrem erarbeiteten Vermögen etwas zurückgeben an die Gesellschaft, die ihnen ermöglicht hat, dieses Leben zu führen."

Wenn sie keine Verwandten haben bzw. die jeweiligen Partner und Kinder schon gut versorgt sind, wollen sie mit ihrem Vermögen einfach Gutes tun. Oft wissen sie aber nicht, wo sie beginnen sollen, worauf sie achten sollen, und viele wissen auch nicht, dass sie bereits zu Lebzeiten, ihr Vermögen übertragen können. Und hier kommt Dr. Gordian Oertel ins Spiel.

Erbe versus Schenkung

"Bei dem Wort Erbe denken viele ausschließlich an den Übergang ihres Vermögens in ihrem späteren Todesfall, das muss aber nicht sein, denn auch zu Lebzeiten sind Übertragungen möglich", erklärt der Fachanwalt für Erbrecht aus Bonn. So könnten die Betroffenen bereits zu Lebzeiten Teile ihrer wirtschaftlichen Güter wie beispielsweise Immobilien hergeben, dennoch aber bestimmen, dass sie die Früchte (z.B. Mieteinnahmen) weiterhin erhalten. Gerade für Menschen, die hochbetagt sind, ist beispielsweise die Verwaltung eines Mehrfamilienhauses sehr anstrengend. Auf der anderen Seite leben sie vielleicht noch selbst in dem Haus und möchten zum Teil mitbestimmen, welche Investitionen gemacht werden sollen. 

"Hier besteht die Möglichkeit der Schenkung", so Oertel. So kann beispielsweise ein gewisser Betrag steuerfrei bereits zu Lebzeiten verschenkt werden – die Schenkung kann auch zweckgebunden sein. Ein Kind beispielsweise kann alle zehn Jahre 400.000 Euro von einem Elternteil steuerfrei geschenkt bekommen. Der Vorteil einer Schenkung ist, dass man zum einen noch zu Lebzeiten sieht, was mit dem Ersparten geschieht. Zum anderen erspart man den Erben die Erbschaftssteuer, die je nach Verwandtschaftsgrad und Steuerklasse bis zu 50 Prozent betragen kann.

Juristische Beratung ist wichtig

"Schenkung oder Erbe, der größte Fehler, den viele machen, ist, den eigenen Willen und die eigenen Vorstellungen nicht schriftlich und juristisch eindeutig niederzulegen", so Oertel. Gerade dann käme es nämlich zu ungewollten Situationen, referiert der Fachanwalt für Erbrecht im Seminar und listet gleich das nächste Schockszenario auf: Mit seiner Frau hat Herr M. ein sogenanntes Berliner Testament errichtet. In einem Berliner Testament setzen sich die Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass mit dem Tod des zunächst länger lebenden Ehegatten der Nachlass an einen Dritten fallen soll. Nach dem Tod von Herrn und Frau M. soll das Erbe zu gleichen Teilen an Sohn H. und Tochter S. gehen.

Herr M. lebt nach dem Tod seiner Frau noch zehn Jahre, während dieser Zeit zerstreitet er sich mit Sohn H., da er ihn nie besucht. Seine Tochter S. wiederum kümmert sich um ihn und gibt sogar ihren Beruf auf, um ihn die letzten zwei Jahre zu Hause zu pflegen. Herr M. bestimmt daher in seinem Testament seine Tochter S. zur Alleinerbin. Als Sohn H. von dem weiteren Testament und der Alleineinsetzung seiner Schwester erfährt, klagt er vor Gericht seinen Anteil ein. Da Herr M. noch an das Berliner Testament, das besagt, dass Sohn H. und Tochter S. zu gleichen Teilen das Erbe erhalten sollen, gebunden war, konnte er nicht in einem weiteren Testament die Tochter zur Alleinerbin einsetzen.

Dr. Gordian Oertel ist Fachanwalt für Erbrecht in Bonn.

Es passiert genau das, was Herr M. verhindern wollte: Sohn H. bekommt den gleichen Anteil wie Tochter S., obwohl diese mit Rücksicht auf die erbrachte Pflege viel mehr verdient hätte. "Ich kenne eigentlich keine Situation, bei der man auf eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht oder einen Notar verzichten kann", so Oertel. "Gerade für vermögende, kinderreiche Familien ist es auch eine Absicherung, dass sich die Familienangehörigen nicht später im Erbfall zerstreiten."

Stiftung für das Gemeinwohl gründen

"Wir haben auch oft Fälle, in denen die Menschen explizit nicht an die eigene Familie vererben wollen oder ggf. auch gar keine haben", erklärt Thomas Schumacher, zertifizierter Stiftungsberater der Pax-Bank in Köln, einer christlich-nachhaltigen Genossenschaftsbank. In seinem Seminar bei Don Bosco Mondo geht es darum, wie man mit Darlehen und Zustiftungen das Gemeinwohl fördern kann – und das zu Lebzeiten. In seiner langjährigen Arbeit bei der Pax Bank hat er bereits eine Vielzahl von Menschen beraten und weiß: "Den größten Fehler machen Menschen bei der Gründung der Stiftung, denn viele wollen eine eigene Stiftung gründen, um ihren Namen weiterleben zu lassen, bedenken aber dabei nicht die Nachfolgeregelung bei ihrem Sterbefall." Ist nämlich nicht sicher, wer nach dem Tod die Verwaltung der Stiftung übernehmen soll, ist der Fortbestand der Stiftung ungewiss.

Thomas Schumacher ist zertifizierter Stiftungsberater der Pax-Bank in Köln.

Ein Schreckensszenario für viele Menschen, die mit ihrem Geld Gutes tun wollen –aber es gibt mehrere Lösungen für dieses Dilemma: Die Antwort ist Zustiftung oder Stifterdarlehen. "Mit der Zustiftung ist eine Zuwendung in den Vermögensstock einer bereits bestehenden Stiftung gemeint. In diesem Fall sollte man sich sehr gut über die Stiftung und ihren Zweck informieren. Zwar erlangt man als Zustifterin bzw. Zustifter keinerlei Rechte, man kann sich aber sicher sein, was mit dem Geld passiert, da eine Stiftung an ihren Zweck gebunden ist", so Schumacher. Die Zustiftung hat zwei große Vorteile: Mit wenig Aufwand kann man gezielt und wirkungsvoll fördern, im Gegensatz zur Spende ist die Stiftung an keine zeitnahe Mittelverwendung gebunden. Und - last, but not least - fallen weder Schenkungs- noch Erbschaftssteuer an. 

"Bei einem Darlehen wiederum schließt der Stifter mit der Stiftung einen Darlehensvertrag über ein zinsloses Darlehen ab, welches mit einer 3-Monatsfrist kündbar und durch eine Bürgschaft der Pax-Bank zu 100 Prozent abgesichert ist", erklärt Schumacher. Dabei arbeitet die Pax Bank auch mit vielen gemeinnützigen und kirchlichen Stiftungen zusammen und kann Interessierten auch Vorschläge machen, falls sie selbst keine Stiftung kennen.

Die Stiftung erwirtschaftet durch die Anlage des Darlehens Erträge, die für die Zweckverwirklichung verwendet werden. "Man hat dadurch die totale Kontrolle darüber, was mit dem eigenen Geld passiert", so Schumacher. "So kann man bereits zu Lebzeiten sehen, wie man mit dem eigenen Geld Gutes tun kann. Zudem kann das Darlehen im Todesfall automatisch in eine Zustiftung umgewandelt werden, die stets an den Stiftungszweck gebunden ist."

Gemeinsam mit einem Fachanwalt für Erbrecht hat die Nichtregierungsorganisation Don Bosco Mondo e.V. auch einen Testamentsratgeber zusammengestellt. Informationen zu Erstgesprächen gibt es sowohl bei Dr. Gordian Oertel als auch bei Thomas Schumacher