Münster (epd). Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht in Leo XIV. einen politischen Papst. Als erfahrener Diplomat werde er „den Tyrannen der Welt wie Trump und Putin die Stirn bieten“, erklärte der Münsteraner Professor am Freitag. „Mit der Wahl von Papst Leo XIV. ist den Kardinälen ein Coup gelungen.“ Er verbinde aufgrund seiner Herkunft und Berufsbiografie „Kontinente, Kulturen, Sprachen und die verfeindeten katholischen Lager in der katholischen Kirche“.
In sozialethischen Themen folge der neue Papst seinem Vorgänger und kritisiere „eine kapitalistische Wirtschaft, die tötet und die Natur ausbeutet“. In binnentheologischen Konfliktthemen wie Frauen, Gender und queere Menschen vertrete er hingegen „strukturkonservative Positionen“. So sei er für beide Lager wählbar gewesen, auch für die römische Kurie, erklärte der Katholik Schüller.
Er äußerte die Hoffnung, dass die vatikanische Diplomatie, die unter den sprunghaften Äußerungen von Papst Franziskus zu den Konflikten in der Ukraine und Nahost Schaden genommen habe, unter seinem Nachfolger „wieder in verlässliche Fahrwasser gebracht“ werde.
Auch der katholische Kirchenhistoriker Hubert Wolf betonte: „Leo XIV. will auf jeden Fall ein politischer Papst sein.“ Das habe sein Friedensgruß am Anfang seiner Rede am Donnerstagabend und die mehrfache Betonung der Friedensbotschaft Jesu Christi verdeutlicht. Der US-Amerikaner mit europäischen Wurzeln und südamerikanischer Prägung sei ein Weltbürger. Robert Francis Prevost gelte „als Mann der Mitte, diplomatisch versiert, pragmatisch, nicht ideologisch ausgerichtet“.
Die Wahl seines Papstnamens zeige zudem, dass er „demnach auch ein sozialer Papst und Brückenbauer sein“ wolle, erklärte Wolf. Leo XIII. (1878-1903) gelte als der Papst, der sich erstmals der Arbeiterfrage und den sozialen Problemen im Kontext der Industrialisierung angenommen habe.