Berlin (epd). Am europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung haben sich mehrere Interessenvertreter mit deutlicher Kritik an Missständen sowie Forderungen an Politik und Öffentlichkeit gewandt. „Inklusion ist Menschenrecht“, hieß es etwa beim Deutschen Institut für Menschenrechte. Zugleich wies Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts, am Montag darauf hin, dass „menschenrechtliche Prinzipien wie Inklusion und Gleichberechtigung zunehmend infrage gestellt werden“.
Der Sozialverband VdK verlangte anlässlich des jährlichen Protesttages am 5. Mai einen Anspruch Betroffener auf Barrierefreiheit. VdK-Präsidentin Verena Bentele sprach sich dafür aus, private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit zu verpflichten. „Erst dann können Menschen mit Behinderung selbstverständlich ins Kino oder Restaurant gehen, einkaufen oder sich eine passende Arztpraxis aussuchen“, begründete Bentele ihre Forderung.
Sie verlangte außerdem, Bahnhöfe im Nah- und Fernverkehr so schnell wie möglich barrierefrei umzubauen. Der Umbau dürfe nicht auf Bahnhöfe mit mehr als 1.000 Reisenden pro Tag beschränkt bleiben. Von der Bundesregierung forderte die VdK-Präsidentin, Barrierefreiheit als Grundsatz in das Baugesetz und die Förder-Richtlinien aufzunehmen und so dem Bau behindertengerechter Wohnungen „einen großen Schub“ zu verleihen. Bundesweit fehlten aktuell drei Millionen barrierefreie Wohnungen, erläuterte sie.
Auch der Caritas-Verein für Behindertenhilfe und Psychiatrie verlangte „eine echte Wende bei der Schaffung von Wohnraum für Menschen mit Behinderung“. Es fehlten unter anderem kleine, bezahlbare und barrierearme Wohnungen sowie Wohnraum in betreuten Wohngemeinschaften. Das seien die Kernaussagen eines aktuellen Gutachtens, das das Pestel Institut im Auftrag der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie erstellt habe.
VdK-Chefin Bentele bemängelte außerdem, Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen erlebten häufiger Diskriminierungen bei der Arbeits- oder Wohnungssuche, bei Versicherungen, beim Zugang zu Finanzdienstleistungen oder durch die Digitalisierung. Sie drang deshalb auf eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. „Barrierefreiheit und Teilhabe sind kein Luxus, den man sich ab und an mal leistet, sondern ein Menschenrecht“, unterstrich Bentele.
Der 5. Mai ist laut Menschenrechtsinstitut seit mehr als 30 Jahren der Europäische Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Der Protesttag stand in diesem Jahr unter dem Motto „Wir sind 10 Millionen - Menschenrechte sind nicht verhandelbar!“
Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe kritisierte, der Protesttag werde „allzu oft zum symbolischen Akt ohne nachhaltige Konsequenzen. Was wir stattdessen brauchen, ist konsequentes politisches Handeln.“ Die UN-Behindertenrechtskonvention sei seit mehr als 15 Jahren in Kraft und es gebe zahlreiche nationale Gesetze, die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zum Ziel hätten - dennoch sei sie „immer noch nicht Realität“.