Der Eindruck mag täuschen, aber seit einiger Zeit hat der Beruf Hochkonjunktur, jedenfalls in Filmen und Serien, und zwar quer durch alle Genres. Sterben ist nicht lustig; gerade deshalb lassen sich dem Tod neben Dramen und Tragödien auch Komödien abtrotzen. "Sterben für Beginner" ist sozusagen die Quintessenz des Bestattungsgenres, denn das Drehbuch von Benedikt Gollhardt bietet ein Potpourri aus ausgelassen heiteren und zutiefst betrüblichen Momenten. Es basiert auf Eric Wredes autobiografischem Sachbuch "The End: Das Buch vom Tod" und erzählt die Geschichte des ehemaligen Musikmanagers, der ein neues berufliches Leben als Bestatter begonnen hat.
Die Handlung beginnt mit einem nächtlichen Raubzug: Ein Mann klettert über die Friedhofsmauer und gräbt eine Urne aus. Aus dem Off erklingt seine Stimme: Wir tanzen, feiern, lieben, aber warum? Um das Leben zu genießen? Oder um zu vergessen, dass uns allen der Tod bevorsteht? Eric will den Tod in den Arm nehmen und ihm zeigen, wie man tanzt; und davon handelt diese Tragikomödie. In langer Rückblende schildern Gollhardt und Regisseur Christian Klandt, wie Eric spontan seinen Job hinschmeißt und aus einer Art Eingebung heraus bei Bestatter Mutz (Peter Kurth) vorstellig wird. Im Schaufenster des Instituts hängt ein Poster mit Freddy Mercury und dem Satz "Who wants to live forever?" (Wer will schon ewig leben).
Dies ist jedoch nur die eine Hälfte der Geschichte. Die andere handelt von der tiefen Freundschaft zwischen Eric, Alex (Max Hubacher) und dessen schwangerer Freundin Karla (Svenja Jung). Die beiden Männer sind zwei große Kindsköpfe, aber schon bald ist Schluss mit lustig: Im Kopf von Alex hat sich ein Tumor eingenistet. Anfangs nimmt er die tödliche Bedrohung nicht ernst, dann konzentriert sich die Hoffnung auf Bestrahlung und Chemotherapie, aber schließlich bleibt allen Beteiligten nichts anderes übrig, als dem Unvermeidlichen ins Auge zu sehen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Sterben für Beginner" ist kunstvoll gestaltet (Kamera: René Gorski) und ausgezeichnet gespielt, aber der Film hat darüber hinaus einen ganz praktischen Mehrwert, und das nicht nur wegen der vielen Denkanstöße. Beiläufig lässt Gollhardt zum Beispiel einfließen, wie wichtig eine Patientenverfügung ist.
Außerdem hat Eric posthum eine Stinkwut auf den Freund. Kneipenbesitzer Alex hat zwar noch rasch Karla geheiratet und in seinem Berliner Lokal eine letzte schwungvolle Party gegeben, aber bei Lebzeiten nicht geregelt, wo er bestattet werden möchte; nun gibt es einen hässlichen Streit zwischen der Witwe und ihren in der Pfalz lebenden Schwiegereltern (Steffi Kühnert, Wolfram Koch).
Zwischendurch zeigt der Film Eric immer wieder bei seiner Arbeit, und auch hier findet die Geschichte einen pietätvollen Mittelweg zwischen Comedy und Trauerflor. Für komische Momente sorgt unter anderem Anita (Luna Jordan). Die todernste Nichte des Chefs verzieht keine Miene, scheint aber durch die Räumlichkeiten zu schweben, als sei sie ihr eigener Geist; Klandt unterlegt diese Momente mit einem sanften "Wusch" wie aus einem Horrorfilm. Später stellt sich raus, dass sich Anita auf einem Elektro-Board fortbewegt. Vater Volker ist ein Bestatter der alten Schule und hält überhaupt nichts davon, aus einer Beerdigung ein Happening zu machen.
Eric hat etwas andere Ansichten als sein verknöcherter Chef ("Der Tod ist eine erste Angelegenheit"), weshalb die beiden mehrfach aneinander geraten; erst recht, wenn der Praktikant eine Kundin hinter Mutz’ Rücken darüber informiert, dass es im Lager auch wesentlich günstigere Sargmodelle als das Prunkstück "Quo vadis" (3.750 Euro) gibt. Früh macht ihm der Alte daher klar: Nach der Probezeit endet die Zusammenarbeit. Das ist jedoch noch nicht das letzte Wort, zumal der empathische Eric mehrfach beweist, wie gut er auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen eingehen kann; als Bestatter hat er offenkundig seine Berufung entdeckt. Mitunter wird "Sterben für Beginner" fast dokumentarisch, weil die Arbeit im Institut mit großem Respekt geschildert wird; wie Eric und Anita den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, ist stellenweise ebenfalls sehr berührend. Das gilt erst recht für den auch filmisch eindrucksvollen Abschied von Alex sowie Karlas Appell, der ebenfalls nicht nur den Trauergästen gilt: "Feiert das Leben, so laut ihr könnt!"