Hannover (epd). Beten, feiern, diskutieren: Nach fünf Tagen ist in Hannover der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag mit einem großen Open-Air-Gottesdienst zu Ende gegangen. Unter dem biblischen Motto „mutig - stark - beherzt“ hatten Zehntausende Menschen seit Mittwoch ein Glaubensfest mit viel Musik, Spiritualität und Podien zu drängenden politischen und gesellschaftlichen Fragen gefeiert.
Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund zeigte sich zum Abschluss des Protestantentreffens am Sonntag zufrieden: „Es waren fünf großartige Tage - fair, friedlich, fröhlich und argumentationsstark“, sagte sie. „Das kann nur Kirchentag und tut unheimlich gut.“ Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) bezeichnete den Kirchentag als „Frühlingsmärchen“. Er bilanzierte: „Die Stadt war euphorisiert, wir sind wehmütig, dass es vorbei ist.“
Nach Angaben der Veranstalter wurden für das Protestantentreffen 81.000 Tickets verkauft. Das waren deutlich mehr als beim Kirchentag vor zwei Jahren in Nürnberg.
Im Schlussgottesdienst rief die evangelische Theologin Hanna Reichel zu mehr Toleranz auf. „Gottes Liebe sucht bis in den letzten Ecken nach denen, für die wir keine Zeit haben“, sagte sie vor rund 26.000 Menschen auf dem zentralen „Platz der Menschenrechte“ vor dem Neuen Rathaus. Toleranz bedeute aber nicht, sich wegzuducken und einfache Kompromisse einzugehen. „Uns trennen Gräben - auch gesellschaftlich“, sagte Reichel, die als Professorin an der Princeton-Universität im US-Bundesstaat New Jersey lehrt. „Da können wir nicht einfach mit Liebe drüberbügeln.“
In einer bunten Feier mit Gospel, Rap und Pop betonte Reichel: „Gottes Liebe macht nicht an deinem Gartenzaun halt. Gottes Liebe ist weiter als dein Social Network.“ Angst sorge für einen engen Blick, mit dem niemand Politik machen sollte. Gottes Liebe jedoch helfe dabei, Zumutungen im Miteinander auszuhalten. „Aus einem Haufen kleinkarierter Nervensägen wird die Gemeinschaft der Heiligen“, sagte die Predigerin unter großem Applaus.
Kirchentagspräsidentin Siegesmund rief die Teilnehmenden in dem Gottesdienst zu Zuversicht und gesellschaftlichem Dialog auf. Unter großem Applaus und einer Fanfare von mehreren Hundert Bläsern dankte sie zugleich der Polizei und den Sicherheitskräften: „Ihr habt uns einen sicheren Kirchentag geschenkt.“
Der Würzburger katholische Bischof Franz Jung und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, luden die Protestanten zum 104. Deutschen Katholikentag vom 13. bis 17. Mai 2026 in Würzburg ein. Er steht unter dem Leitwort „Hab Mut, steh auf!“.
Zugleich sprachen der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, und der nächste Kirchentagspräsident Torsten Zugehör eine Einladung zum 40. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf aus. Das Treffen findet vom 5. bis 9. Mai 2027 statt. Der Kirchentag wird dann nach 1973 und 1985 zum dritten Mal in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen zu Gast sein.
In Hannover beteiligten sich die Teilnehmenden an insgesamt rund 1.500 Einzelveranstaltungen in der Innenstadt und auf dem Messegelände, darunter mehrere Großkonzerte unter freiem Himmel. Themen waren aktuelle Herausforderungen wie Antisemitismus, Rechtsextremismus, Friedenspolitik und der Klimawandel sowie Machtmissbrauch in kirchlichen Strukturen.