Mensch, Gott und KI: Wie geht das zusammen?

Christiane Tietz, Armin Grunwald, Stefanie Schardien, Beth Singler auf dem Kirchentag in Hannover zum Thema "Mensch , Gott und Ki".
Katja Eifler
Von links: Christiane Tietz, Armin Grunwald, Stefanie Schardien und Beth Singler auf dem Kirchentag in Hannover zum Thema "Mensch, Gott und Ki".
Virtuell spirituell leben
Mensch, Gott und KI: Wie geht das zusammen?
Welche Herausforderung bringt die künstliche Intelligenz für den Glaubensalltag mit sich? Darüber diskutierten der Ethikprofessor Armin Grunwald, die Kirchenpräsidentin Christiane Tietz und Religionswissenschaftlerin Beth Singler, mit Stefanie Schardien, der Theologischen Geschäftsführerin des GEP, auf dem Kirchentag in Hannover.

Ob Segensautomat, spirituelle Anleitungen eines Chat-Bots oder eine von der KI geschriebene Predigt: Die künstliche Intelligenz bahnt sich ihren Weg in die Welt des Glaubens und der Sinnsuche. Für Ethikprofessor Armin Grunwald, der sich auch als Technikphilosoph bezeichnet und als Erster mit einem Impulsstatement die Diskussion auf dem Kirchentag einleitet, steht fest, dass KI deutlich anders ist, als bisherige Technologien. Sie könne lernen und sich weiterentwickeln. "Sie ist ein wirkliches Gegenüber", sagt er, aber "ohne Leib und Seele."

Wenn Menschen Spiritualität suchen, dann würden sie einen Raum dafür wählen, zum Beispiel gingen sie in die Kirche oder hinaus in die Natur. Und das, so Grunwald weiter, könne auch KI virtuell bieten. Sie könne einen durchaus zu spirituellen Gedanken anregen, "wie ein Kreuzgang oder ein plätschernder Bach."

Seiner Meinung nach solle sich der Mensch frei entscheiden können, wo er sich selbst am besten aufgehoben fühle. Menschliche Kommunikation beherrsche die KI bereits. Was ihr heute noch fehle, sei eine gute "Verkörperung". Wäre diese gegeben, könne sie im menschlichen Wahrnehmungsfeld sichtbarer werden, und das berge eine Gefahr. Denn, so Grunwald, dann neige der Mensch dazu, ihr eine tatsächliche menschliche Zuschreibung zu geben und vergesse vielleicht, dass es Algorithmen sind, welche die Kommunikation bestimmen. KI sei immer nur eine Simulation. Die Vermischung sei eine Gefahr. Für ihn sollte KI daher eine Technik bleiben, ein Mittel zum Zweck, "mehr sollten wir ihr nicht zuschreiben." Ihm persönlich fehle dabei die Authentizität. Er brauche ein reales Ambiente und echte Menschen. 

Auch für Beth Singler, Theologin und Religionswissenschaftlerin aus Zürich, ist die Beziehung zwischen künstlicher Intelligenz und Religion zweierlei Dinge. Aber sie seien dennoch miteinander verbunden, und heute beide in der Gesellschaft verankert. Religion habe immer schon Technik genutzt und diese in den Glaubensalltag eingebaut. KI könne positiv eingesetzt werden, beispielsweise in Bezug auf Gottesdienstgestaltung oder als Chat-Bot, der einfache Fragen beantworte und Arbeiten abnehme. Ein entscheidender Punkt sei aber:  "Wir müssen die Geschwindigkeit der Entwicklung in der KI drosseln auch im Bezug auf die Beziehung zur Religion." Die rasche Entwicklung überrolle die Menschen: "Dieser Hype der Macher von KI, wie Marc Zuckerberg oder Elon Musk, die uns sagen, wir brauchen keine Angst vor AI zu haben, dem sollten wir kritisch gegenüberstehen und uns unsere Fragen dazu selbst beantworten."

Wie göttlich kann KI sein?

Kann KI göttlich sein? Diese Frage beantwortet Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der EKHN, eindeutig: "Keine KI kann Gott ersetzen!" Denn, so fährt sie fort, Gott ließe sich nicht mit Wahrscheinlichkeiten berechnen, auf denen künstliche Intelligenz beruhe. In der Theologie gehe ein Hauptstrang davon aus, dass Gott "Person" ist und das könne KI niemals werden. Die "Vergöttlichung von etwas Weltlichem geht nicht", sagt sie. Die Frage, inwieweit KI Menschen ersetzen könne, sei schwieriger. Würde man sich auf die Theorie der Antike stützen, welche den Menschen vom Tier durch seine Intelligenz unterscheide, dann schnitte die KI hervorragend ab. Je intelligenter, umso menschlicher? Aber sie wolle in dieser Debatte das Bild des Menschen nicht auf die Intelligenz verengen, denn der "Mensch sei Mensch durch seine Beziehung zu Gott und umgekehrt. Durch seinen Glauben. Durch seine Unvollkommenheit." KI simuliere Gefühle, der Mensch habe sie. Selbst wenn KI in einer Predigt so tun könne, als ob sie um Glauben ränge, sie könne dieses eigene Ringen nicht kennen. "Sag mir, was du über KI denkst und ich sage Dir, was du über den Menschen und Gott denkst", so Tietz.

Unterstützung durch KI in der Kirche könne sie etwas abgewinnen, aber der Umfang sei begrenzt. Denn schon im Gemeindebüro mache sich beispielsweise "in einem Trauerfall der Unterschied bemerkbar, ob ein emphatischer Mensch mit mir redet oder ob es eine Stimme der KI ist". Für Tietz gibt es auf die Frage: "Wollen wir eine Kirche von Menschen sein?" daher nur als Antwort ein klares "Ja". Deshalb sei es für sie eine ethische Pflicht, KI-Nutzung immer und überall kenntlich zu machen. " Wenn KI so tut, als wäre sie menschlich, dann ist das Betrug", sagt auch Armin Grunwald.

Kinder mit Limo taufen

Bedeutend sei es, so Beth Singler, was in ein System der KI hineingegeben wird. So gab es beispielsweise eine KI-Antwort, die vorschlug, dass Kinder mit Limo getauft werden sollen. Die Verschlechterung von Informationen im öffentlichen Raum sei für sie das Übel für den Input, denn, "wo ich Müll reingebe, kommt Müll raus."

Brauchen wir also den Hype und die Furcht vor KI, wirft Moderatorin Stefanie Schardien als Frage in die Diskussion. Tietz hält es für "gefährlich in die Extreme zu gehen, "aber es sei wichtig, sich klarzumachen, wie stark KI die Meinung von Menschen beeinflussen könne. "Wir müssen überlegen, wie wir KI bewerten und das auf allen Ebenen", sagt auch Armin Grunwald und nennt als Beispiele den Einsatz in der Arztpraxis oder den Bot im Internet. "Es liegt an uns, der KI Entscheidungsmacht zu übertragen, meine Sorge ist, wir wissen oft nicht was wir tun. Es gibt jetzt schon Menschen, die der KI mehr trauen als den Menschen." Aber KI sei nicht objektiv und wissend.

Hätte KI den Attentäter gestoppt?

Ein spannendes Gedankenexperiment präsentiert Grunwald anschließend auf das Postulat, dass immer der Mensch das letzte Wort gegenüber der KI haben sollte: "Denken sie mal an das automatisierte Fahren, das läuft richtig gut und dann will ich, als Attentäter, in eine Menschenmenge fahren, das würde KI niemals tun, wer sollte da das letzte Wort haben?" Für Beth Singler ist es wichtig, dass der Mensch im Umgang mit KI als rote Linie immer die Menschenrechte im Blick haben sollte.

Auch das Publikum bewegte viele Fragen, vor allem, ob KI göttliche Eigenschaften haben könne und, wie KI die Kirche verändere.  "Gott ist nicht so begrenzt wie eine KI, er ist mehr. KI kann immer nur so tun, als wäre sie schwach oder mitfühlend. Nichts steht zwischen mir als Mensch und Gott", sagt Christiane Tietz und göttliche Eigenschaften dürften einer künstlichen Intelligenz nicht zugeschrieben werden. Für Grunwald steht fest: "Gott hat keine anderen Hände als unsere, wir können unsere Hände aber mit KI besser machen, um mehr zu erreichen." KI verändere daher sein Bild von Gott nicht und für ihn stehe die Reihenfolge Gott-Mensch-Technik eindeutig fest.

 

Beth Singler wirft dazu ein: "Wir dürfen aber nicht bewerten, was Menschen mit Chatbots oder so erleben, oft sind das spirituelle Erfahrungen. Technik hat Wahrnehmung schon immer verändert, das können wir aber nicht beeinflussen, das gilt auch für KI." Eine Predigt mit KI gestalten, einen Chatbot für Standardfragen implementieren oder die KI in Bezug auf spirituelle Fragen zu nutzen, ja, warum nicht? Darin sind sich alle einig. Aber Menschen müssten im Hinterkopf behalten, so Grunwald, dass KI nur Daten erheben und auswerten könne, aber wir Menschen können Situationen verstehen und danach handeln. "Datenaustausch ist nicht dasselbe wie ein Dialog." Bester Beweis, die gelungene Podiumsrunde mit spannenden Fragen aus dem Publikum auf dem Kirchentag.