ESC: Ein "Hurricane" gegen viele Widerstände

Protestaufkleber beim ESC auf Straßenreklame in Malmö
Jens Gesper
Protestaufkleber auf einer Straßenreklame in Malmö spiegeln die politischen Konflikte beim ESC 2024 wieder.
Proteste gegen Israel
ESC: Ein "Hurricane" gegen viele Widerstände
Eden Golan singt heute Abend im zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contestes für Israel. 16 Teilnehmer wollen sich für das Finale am Samstag qualifizieren. Doch statt um die Musik, geht es in Malmö gerade um politische Inhalte. Israel sollte wegen des Vorgehens in Gaza vom ESC ausgeschlossen werden. Die Situation ist kompliziert, das kann keiner bestreiten.

Nach klaren Forderungen in Malmö, dass kein Lied aus Israel am Eurovision Song Contest (ESC) vor Ort teilnehmen dürfe, gibt es dort am Final-Tag im Mai eine Demonstration für Toleranz und für Solidarität mit den Juden. Auf Englisch heißt die Demo "Kippah Walk", auf Schwedisch "Kippavandring", namensgebend ist die Kopfbedeckung religiöser, männlicher Juden. Das war 2013.

Jetzt ist 2024. Wieder ESC. Wieder Malmö. Nur diesmal waren die Forderungen nach einem Ausschluss Israels schon im Vorfeld sehr viel lauter, sehr viel breiter getragen. Insbesondere aus den nordischen Ländern. Ihr Grund: Die seit etwa sieben Monaten anhaltende massive militärische Reaktion Israels im Gaza-Streifen nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf die Zivilbevölkerung in Israel am 7. Oktober. Bei den Forderungen jetzt wurden teilweise sogar Parallelen zum Ausschluss Russlands wegen dessen Angriff vor zwei Jahren auf die Ukraine gezogen. 

Die Europäische Broadcasting Union (EBU) als ESC-Veranstalterin prüfte trotz dieses hanebüchenen Vergleichs einen Ausschluss Israels. Wobei ihr hier ein scheinbares Detail wichtig ist. Die EBU überprüfe nicht Regierungen, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Landes, der Mitglied der EBU sei und damit Teil der Veranstalter-Gemeinschaft. Und hier verwies die EBU auf die jahrzehntelange, gute Zusammenarbeit mit dem israelischen öffentlichen-rechtlichen Sender, der im Übrigen alle Regeln der EBU-Mitgliedschaft erfüllt und eingehalten habe. Die Unabhängigkeit wurde auch daran festgemacht, dass die israelische Regierung die Schließung des Senders in Erwägung gezogen hatte. Die Erfahrungen mit den beiden russischen Staats-Sendern waren anders, die im Übrigen 2022 ihre Mitgliedschaft in der EBU selbst gekündigt hatten.

Es gibt keine leichten Antworten

Die Situation ist kompliziert, das kann keiner bestreiten. Es gibt keine leichten Antworten. Die geben auch nicht diese beiden Anekdoten aus der Eurovisions-Geschichte. Schon vor Jahren in einer Pressekonferenz nach einer Teilnahme Palästinas am ESC befragt, antwortete der Leiter der Delegation des israelischen Fernsehens augenzwinkernd in etwa so: Sehr gern, dann könnte Israel endlich mal Punkte mit einem Nachbarland austauschen. Auch der Libanon hatte sich mal überlegt, am ESC teilzunehmen, das scheiterte daran, dass dort das israelische Lied im Fernsehen nicht hätte übertragen werden dürfen. Nur zwei Anekdoten, die aber sehr viel tiefer blicken lassen. Außerdem war 2009 Israel das zweite Land, das, nach dem einmaligen Marokko-Auftritt in der Eurovision 1980, mit einem Duett auch die arabische Sprache auf die ESC-Bühne brachte. Auch das sei gesagt.

Im ersten Halbfinale des ESC 2024 in Malmö trat der schwedische Sänger Eric Saade, Sohn eines Palästinensers aus dem Libanon, außer Konkurrenz im Rahmenprogramm auf, ums Handgelenk ein Palästinensertuch, obwohl Sympathie-Kundgebungen für Palästina auch mit den entsprechenden Flaggen während der Show untersagt sind. An vielen Balkonen und Fahrrädern in Malmö wehen indes Palästina-Fahnen, immer wieder sieht man Aufkleber mit Boykott-Aufrufen gegen Israel. Eden Golan wird sie nicht sehen. Starke Sicherheitsmaßnahmen schränken ihren Aufenthalt in Malmö ein.

Heute Abend singt die 20-jährige Israelin mit russischen Wurzeln im zweiten Halbfinale mit Startnummer 14 hauptsächlich auf Englisch. Das Lied, entstanden nach dem Hamas-Angriff und davon inspiriert, musste auf EBU-Geheiß Titel und Text-Teile ändern, um nicht zu politisch zu sein. Statt "October Rain" heißt es nun "Hurricane". Eden Golans letzten vier Zeilen sind dann auf Hebräisch, bei www.eurovision.de findet man die englische Übersetzung: "Es braucht keine großen Worte, nur Gebete. Selbst wenn es schwer zu sehen ist, du hinterlässt immer ein einzelnes Licht."