Warum sich ein Hobby-Archäologe über Gewitter freut

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Nicht immer nur Briefmarken - auch Blitze kann man sammeln!
Warum sich ein Hobby-Archäologe über Gewitter freut
Zieht ein Gewitter auf, suchen manche Menschen ängstlich das Weite, andere freuen sich über das Naturschauspiel. Auch Rentner Richard Riediger mag Blitz und Donner: Er hat sich als "Blitzesammler" einen Namen gemacht und erzählt im Schwerpunkt "Blick zum Himmel" von seiner kuriosen Leidenschaft.
26.10.2012
evangelisch.de

Der Backenzahn eines Mammuts liegt hinter Glas, daneben vier kleine weiße Schneckenhäuser aus der Eiszeit, gegenüber stapeln sich Tonscherben. Im Keller seines Hauses in Übach-Palenberg, einem kleine Ort kurz vor der deutsch-niederländischen Grenze, hat Richard Riediger ein Museum eingerichtet. 78 Jahre ist Richard Riediger alt, die häufigen Besucher wurden ihm im Laufe der Zeit zu anstrengend und somit überließ er den Großteil seiner archäologischen Funde dem Landesmuseum Bonn. Dennoch melden sich immer wieder neugierige Besucher bei Richard Riediger. Sie wollen die Blitzröhrchen sehen: grau, verkrustet, nicht schwer, einige Zentimeter lang.

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Dreißig sogenannte Fulgurite besitzt Richard Riediger, er präsentiert sie in einem mit rotem Samt ausgeschlagenen Kasten. Diese zerbrechlichen Gebilde entstehen, wenn sich die Elektrizität eines Blitzes in einem Sandboden entlädt. Durch die hohe Temperatur schmilzt der Sand entlang des Einschlages, nimmt die Form eines Blitzes an und es entsteht eine Röhre mit etwa zwei Zentimeter Durchmesser aus Gesteinsglas. In Lehmboden funktioniere dieser Vorgang nicht, nur in Quarzsand, erklärt Richard Riediger. Hinzu komme, dass die meisten Blitze in hohe Bäume oder Kirchtürme einschlagen – insofern sind Fulgurite sehr selten. Ihr Alter könne man nicht feststellen.

Bei einem Wolkenbruch: Kneipe statt Beutezug

Alle Röhrchen hat Richard Riediger in der Teverener Heide gefunden, zufällig. In dem Naturschutzgebiet nahe seinem Wohnort war er früher häufig unterwegs auf der Suche nach Werkzeug aus der Steinzeit. Gezielt nach den Blitzröhren suchen, ist schwierig, meint Richard Riediger. Man entdecke die Röhren entweder erst, wenn der Wind den Sand wegweht, oder zufällig, beim Graben. "Jeder denkt, ich ziehe bei einem Wolkenbruch direkt los, um zu sehen, wo Blitze einschlagen. Aber ich bin doch nicht lebensmüde!" sagt er. Zieht ein Gewitter auf, geht er lieber in die Kneipe und trinkt ein Bier.

Als er die erste Blitzröhre vor über vierzig Jahren fand, wusste er zunächst nicht, was er da gefunden hatte – einen Knochen? Oder doch Werkzeug ? Erst fünf Jahre später klärte ihn ein befreundeter Geologe auf. Richard Riediger hielt die Augen offen und fand immer mehr dieser Quarzgebilde. Das Herzstück seiner Sammlung entdeckte er 1977: Die Röhre ragte einige Zentimeter aus dem Boden, Riediger fing an zu graben, immer tiefer. Er benötigte mehrere Stunden, bis er die Blitzröhre freigelegt hatte. Zwei Meter misst sie. "Ein Sensationsfund! Wäre ein Mensch in der Nähe gewesen, er wäre im Umkreis von 15 Metern getötet worden", sagt er, "eine solche Wucht muss der Blitz gehabt haben!" Dass Blitzeinschläge so lang sind, passiere eher selten, denn das ist nur in trockenem Sand möglich. In feuchten Boden hingegen entstehen kurze Röhrchen.

Richard Riediger mit dem Zwei-Meter-Blitz. Foto: evangelisch.de

Die Sammelleidenschaft liegt in der Familie

Riediger holt einen Stapel vergilbtes Papier: Verschiedene Magazine berichteten über die Blitzröhrensammlung; die Lokalpresse war häufig in seinem kleinen Museum. Als "Blitzesammler" wurde Richard Riediger bekannt und hat einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. Demnach besitzt er weltweit die größte Sammlung an Blitzröhren – das macht ihn stolz. Mehrfach ist er im Fernsehen aufgetreten, er hat zum Beispiel gemeinsam mit Moderator Ranga Yogeshwar in "Die große Show der Naturwunder" versucht, Blitzröhren künstlich herzustellen. Günther Jauch hat ihn interviewt, Frank Elstner auch.

Die Sammelleidenschaft hat Richard Riediger von seinem Vater geerbt: Ihn interessierten ausgestopfte Vögel – etwa dreihundert Tiere sind im Privatmuseum Riediger anzuschauen.

Trotzdem, sein wahres Interesse gilt der Archäologie, seit seiner Jugend. Warum er nie Archäologie studiert hat? Richard Riediger winkt ab: "Das ist doch ein Hungerberuf!"

Faustkeile, Pfeil- und Speerspitzen, Klingen, Messer, Pfeilschaftglätter und Keramikscherben aus der Altsteinzeit bis zum Mittelalter hat Richard Riediger gefunden. Um seine archäologischer Funde zu zeigen, richtete er das Privatmuseum im Keller ein. Über 100.000 Stücke besitzt er – eine wertvolle Sammlung der Ur- und Frühgeschichte. "Doch viele fragen nur nach den Blitzen!" sagt Riediger. Allmählich hat er sich damit abgefunden.