Wie sich ein zorniger Kaufmann ein Denkmal setzte

Damaliger Probst Ralf Meister (li) und sein katholischer Amtsbruder Franz Mecklenfeld tragen am Karfreitag im Jahr 2007 das Kreuz.
epd-bild / Thomas Morell
Der Lübecker Kreuzweg startet seit 20 Jahren wieder an Karfreitag an der evangelischen St. Jakobi-Kirche und hat eine interessante ökumenische Geschichte.
Lübecker Kreuzweg
Wie sich ein zorniger Kaufmann ein Denkmal setzte
Der Lübecker Kreuzweg aus dem Jahr 1493 gehört zu den ältesten in Deutschland. Nach der Reformation wurde er jedoch lange Zeit nicht mehr begangen. Bis evangelische und katholische Christen ihn vor 20 Jahren gemeinsam wiederbelebten.

Rund 800 Menschen versammeln sich jährlich an Karfreitag um 10 Uhr an der evangelischen St. Jakobi-Kirche in Lübeck. Mit dem katholischen Erzbischof Stefan Heße und der evangelischen Bischöfin Kirsten Fehrs beschreiten sie gemeinsam den knapp einen Kilometer langen Lübecker Kreuzweg im Gedenken an die Leidensgeschichte Jesu. Das Besondere: Kreuzwege sind eine rein katholische Tradition. In Lübeck jedoch gehen evangelische und katholische Christen ihn seit 20 Jahren gemeinsam.

Die Geschichte hinter dem Lübecker Kreuzweg von 1493, der bundesweit zu den ältesten gehört, fasziniere bis heute, sagt die Leiterin des Katholischen Büros in Schleswig-Holstein und Hamburg, Beate Bäumer. Der Weg geht auf Hinrich Konstin zurück, einen im 15. Jahrhundert angesehenen Kaufmann und Ratsherren der blühenden Hansestadt. Für sein Seelenheil hatte er eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen. Den "Lübischen Sagen" nach soll er sehr jähzornig gewesen sein und seiner Frau "großes Herzeleid" angetan haben. Er starb 1482 kinderlos und verfügte in seinem Testament, dass von seinem Vermögen ein Kreuzweg gebaut werden sollte.

Der Weg von der Jakobi-Kirche zum Jerusalemsberg war mit 1.650 Metern exakt so lang wie die "Via dolorosa" in Jerusalem. Diesen Weg soll Jesus nach seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein. "Das ist schon verrückt, dass zu der Zeit ein Lübecker nach Jerusalem reist und anschließend den Weg von Jesus Kreuzigung in Lübeck nachbildet", findet Bäumer. Nach der Reformation geriet der Kreuzweg jedoch in Vergessenheit. Die Tafeln an den ursprünglich sieben Stationen wurden abgebaut. In den 1990-er Jahren entdeckte der damalige katholische Propst Helmut Siepenkort den Kreuzweg schließlich wieder. Mit einer kleinen Gruppe von Leuten begann er 1994, den Weg an Karfreitag wieder zu beschreiten.

Da der Kreuzweg an der evangelischen St. Jakobi-Kirche beginnt, kam 2002 die Idee auf, eine ökumenische Karfreitagstradition aus dem Kreuzweg zu machen. Seit 2004 beschreiten katholische und evangelische Christen den Weg gemeinsam. Auf dem Weg werden Passionstexte gelesen, Taizé-Lieder gesungen und kurze Ansprachen gehalten. Mit den Jahren wurde die kleine Bewegung immer größer. Heute ist der Kreuzweg allerdings nur noch einen knappen Kilometer lang, aus den ursprünglich sieben Stationen wurden fünf. Historisch sind nur noch die erste und letzte Station. Der Kreuzweg beginnt an einem noch erhaltenen Relief der Jakobi-Kirche. "Hir beginet de crucedracht Xsti bute de borchdare to Jerusale", heißt es dort. Übersetzt: "Hier beginnt die Kreuztragung Christi vor das Burgtor nach Jerusalem".

Die zweite Station ist das Lübecker Burgtor. An dieser Stelle kreuzen sich der älteste Kreuzweg Deutschlands und der 2011 symbolisch erschaffene Weg der vier Lübecker Märtyrer. Drei katholische Kapläne und ein evangelischer Pastor hatten sich im Zweiten Weltkrieg dem NS-Regime widersetzt. Sie wurden am 10. November 1943 in Hamburg hingerichtet. Die dritte Station ist der Gustav-Radbruch-Platz, die Jugendherberge bildet die vierte Station. Die letzte Station ist der vier Meter hohe Jerusalemsberg. Konstin hatte ihn seinerzeit vor den Stadtmauern Lübecks aufschütten lassen - und sich damit für alle Zeiten ein Denkmal gesetzt.

In diesem Jahr steht der Lübecker Kreuzweg am 29. März unter dem Motto "Was eint? Gesellschaftlicher Zusammenhalt". Treffpunkt ist um 10 Uhr an der St. Jakobi-Kirche Lübeck.