Experte: Keine Systematik hinter Angriffen auf Christen in Nigeria

Experte: Keine Systematik hinter Angriffen auf Christen in Nigeria
17.01.2024
epd
epd-Gespräch: Birte Mensing

Nairobi, Abuja (epd). Hinter den wiederkehrenden Angriffen auf Christen in Nigeria sieht der Islamwissenschaftler Atta Barkindo keine organisierte Strategie oder verbreitete aggressive Stimmung im Land. „Der Großteil der Muslime verurteilt Angriffe gegen Christen“, betonte Barkindo im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch damit die Gewalt aufhöre, müssten den Bekenntnissen Taten folgen. Das betreffe die Strafverfolgung ebenso wie wirtschaftliche und soziale Maßnahmen.

Zudem müsse die Rhetorik in Gebieten mit fundamentalem Islamismus stärker in den Blick genommen werden, erklärte der Leiter des katholischen Politikforschungsinstituts Kukah-Center in Abuja. Zum Beispiel sollte die Art zu predigen und zu lehren reguliert werden. Die Religionsfreiheit dürfe den Staat nicht gefährden, sagte der Priester, der auch dem Nationalen Friedenskommitee vorsteht. Besonders im Norden des Landes sei die Lesart des Islam „freundlich gesagt fragwürdig“.

Für fundamentalistische Islamisten repräsentiere jeder Christ den Westen. Doch die Sichtweise müsse gebrochen und Gewalt entsprechend geahndet werden. „Wenn ein Christ im Norden ermordet ist, sollte es nicht um seine Religion gehen, sondern darum, dass der Täter nach dem Gesetz für seine Tat bestraft wird“, sagte Barkindo. „Die Regierung muss dringend der Kultur der Straflosigkeit ein Ende setzen.“

Barkindo führt die Probleme auch darauf zurück, wie das westafrikanische Land in der britischen Kolonialzeit verwaltet und am Ende übergeben wurde. Der Süden, damals überwiegend christlich, wurde direkt regiert, der überwiegend muslimische Norden indirekt durch Vertreter der traditionellen islamischen Verwaltung. Deren Macht habe sich dadurch konsolidiert und bis heute erhalten. „Religion wurde so zum entscheidenden Faktor für Identität und politische Themen“, erklärte Barkindo.

Das zeige sich auch aktuell im demokratischen System. Nigeria versuche zwar, ein moderner und säkularer Staat zu werden, doch bis das im ganzen Land akzeptiert sei, werde es noch dauern. Es gebe Gebiete, in denen die Verfassung von der Scharia angefochten werde. „Und das ist wirklich ein Problem“, sagte der Islamwissenschaftler. Immer wieder werde Religion für Gewalt instrumentalisiert, beklagte Barkindo und ergänzte: „Religion sollte zur Privatsache werden.“

Um die Situation zu ändern, müsse die Regierung vor allem auch wirtschaftliche und soziale Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben schaffen, forderte er. Dazu wünsche er sich, dass mehr Geld in Plattformen für Versöhnung und Resilienz fließe.