Kein Geld, keine Krankenversicherung - und trotzdem Hilfe

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Arztbesuche zahlt normalerweise die Krankenversicherung. Was aber, wenn man keine hat? Dann ist man auf die Wohltätigkeit von Ärzten angewiesen.
Kein Geld, keine Krankenversicherung - und trotzdem Hilfe
Angst vor Abschiebung hindert viele Flüchtlinge in Deutschland daran, zum Arzt zu gehen. Manche von ihnen haben keine Papiere und keine Versicherung. Bei den Maltesern können sie sich jedoch anonym und kostenlos behandeln lassen.
26.10.2012
epd
Ines Goetsch

Nora Valescu (Name geändert) hat Unterleibsschmerzen - und Angst. Die 19-jährige Rumänin ist in die Sprechstunde der Malteser Migranten Medizin in Hannover gekommen, um sich untersuchen zu lassen. Ist sie vielleicht schwanger? Sie lebt seit vier Wochen in Deutschland. Ihr Freund, der sie mit der Aussicht auf Arbeit zur Einreise überredete, hat sie geschlagen. Sie ist zu Bekannten geflüchtet, hat weder Papiere noch Geld. Patienten wie Nora Valescu werden inzwischen in elf Großstädten von ehrenamtlich tätigen Medizinern anonym und kostenlos behandelt. Gegründet wurde die Malteser Migranten Medizin im Jahr 2001 in Berlin.

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Schätzungen von Behörden und Migrantenorganisationen schwanken zwischen 100.000 und 1,5 Millionen Menschen, die ohne einen gültigen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Sie gehen selbst im Notfall nur selten zum Arzt - aus Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden. Laut Statistik gibt es zudem 137.000 Bundesbürger ohne Krankenversicherung und eine Dunkelziffer nicht versicherter Zuwanderer, die sich Arztbesuche oftmals nicht leisten können.

"Ich kenne die Probleme und will helfen"

In der 100 Quadratmeter großen Praxis in Hannover drängen sich während der zweistündigen Öffnungszeit am Dienstagvormittag rund 30 Patienten und ihre Begleiter. Die Luft ist stickig. Trotz aller Geschäftigkeit herrscht eine gelassene Atmosphäre. "Die Menschen, die zu uns kommen, verlassen sich darauf, dass sie bei uns sicher sind", erklärt der ärztliche Leiter Walther Jarosch von Schweder.

Die Praxis der Malteser in Hannover. Foto: ddp images/dapd/Clemens Bilan

Die hannoverschen Malteser haben die Zusage der Staatsanwaltschaft, dass gegen ihre Patienten in und um die Praxisräume nicht ermittelt wird.

Viele Hilfesuchende können sich wie Nora Valescu nicht auf Deutsch verständigen. Valentina Tretiacov hat sich der jungen Frau angenommen. Die gebürtige Moldawierin begleitet sie und übersetzt die fremde Sprache. "Ich kenne die Probleme und will helfen", sagt sie. Eine Krankenversicherung hat Nora Valescu nicht.

Sie arbeiten unentgeltlich

"Diese Patientin ist ein typischer Fall. Wir haben zurzeit besonders viele Patienten aus osteuropäischen Ländern", berichtet Jarosch von Schweder. Nachdem sich die Grenzen geöffnet haben, sähen viele in Deutschland neue Chancen. Doch würden sie oft mit falschen Versprechungen gelockt. So gehe es etwa auch Frauen aus afrikanischen Ländern, die dann zur Prostitution gezwungen würden. Insgesamt wurden nach Angaben des Mediziners in Hannover schon Menschen aus 69 Nationen behandelt.

Der 72-jährige Arzt ist eigentlich schon im Ruhestand. Wie seine drei Kollegen sowie eine Hebamme und der Geschäftsführer arbeitet er unentgeltlich. Eine Sozialarbeiterin der Diakonie unterstütze die Mediziner ebenso wie Fachärzte und Krankenhäuser, sagt er. Sie rechneten zu vergünstigten Sätzen oder gegen eine Spendenbescheinigung ab. Die besondere Arztpraxis sei auf Spenden angewiesen.

Neben Patienten mit Bauch- und Rückenschmerzen, Infektionen, Verletzungen und Hautproblemen kommen viele Schwangere in die Anlaufstelle. Auch Nora Valescus Schwangerschaftstest ist positiv. Die junge Frau scheint über dieses Ergebnis nicht gerade glücklich zu sein. Doch immerhin weiß sie, wo sie weitere Hilfe bekommt. Die Malteser haben ihr die Adresse einer Beratungsstelle gegeben. Sie sei zuversichtlich, übersetzt ihre Begleiterin.