Der Weltraumsprung: 50 Millionen in die Luft gepustet?

Foto: dpa/Balazs Gardi
Felix Baumgartner kurz vor dem Beginn seines Stratosphärenfluges mit anschließendem Rekordsprung.
Der Weltraumsprung: 50 Millionen in die Luft gepustet?
Der Stratosphärensprung von Felix Baumgartner war ein Weltereignis. Millionen sahen ihn live, aber er kostete auch Millionen. Hätte der Energy-Drink-Hersteller, der den Sprung finanzierte, damit lieber ein Krankenhaus bauen sollen? Mehr als 130.000 Menschen auf Facebook sind dieser Meinung. Genug, um sich das Projekt näher anzuschauen.
19.10.2012
evangelisch.de

Felix Baumgartner ist aus der Stratosphäre gesprungen. Er hat drei Rekorde gebrochen und damit ein Millionenpublikum an die Bildschirme gefesselt, die meisten davon im Internet. Aus 39 Kilometer Höhe hat er etwas getan, was vor ihm noch keiner geschafft hat. Er ist mit Überschallgesschwindigkeit auf die Erde zugestürzt – und sicher gelandet.

Das konnte er nicht alleine schaffen. Hinter dem Rekordsprung steckte das Projekt "Red Bull Stratos". Der Energy-Drink-Hersteller finanzierte das Projekt mit mehreren Millionen Euro. Wie viele genau, will der Konzern auch auf Nachfrage nicht verraten - Medienberichten zufolge waren es rund 50 Millionen Euro - für ein Spektakel, das nach nur neun Minuten und neun Sekunden vorbei war.

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Das passt nicht jedem, Facebook-Nutzerin Sarah Taccini zum Beispiel nicht. Sie schrieb am 14. Oktober einen flammenden Appell an Felix Baumgartners Facebook-Pinnwand: "Du lässt zu dass 50 Millionen $ ausgegeben werden damit du aus 36km höhe springen kannst! Allein die kosten für den Raumanzug könnten tausende von Leben retten!" Das Geld solle "die Menschheit" lieber in Krebsforschung und Krankenhäuser in armen Ländern stecken statt dass es "verschwendet wird damit jemand aus dem Weltall auf die Erde springt", schreibt die Facebook-Nutzerin.

Mehr als 30.000 Kommentare und über 130.000 "Likes" zeichnen den Beitrag aus – die Stimme aus dem Netz hat offenbar einen Nerv getroffen.

"Unsere Aufgabe: Träume realisieren"

Ist das Geld nun "verschwendet"? Für Red Bull jedenfalls nicht, meint Thomas Otter, Professor für Marketing an der Universität Frankfurt: "Wenn sie an die weltweite Strahlkraft dieser Aktion denken, erreicht sie auch Ecken dieser Welt, wo Energy Drinks noch nicht so weit verbreitet sind." Die Werbeaktion passt zur Marke, die angeblich Flügel verleiht. "Dass man diese Positionierung weiter pflegt, ist klar."

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Felix Baumgartners Weltraumsprung ist nicht die einzige Extremsport-Veranstaltung, die Red Bull unterstützt. Die Firma sponsort unter anderem Motocross-Events, Base-Jumping und Cliff-Diving, besitzt zwei Formel-1-Teams (Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso), fünf Fußballvereine auf der ganzen Welt und einen Eishockey-Verein.

"Es gibt Sportarten, die von Red Bull gesponsert werden, in denen gesellschaftliche Underdogs unterwegs sind." Die Firma unterstütze nicht einfach nur Extremsport, sondern auch Bereiche, für die sonst kein Geld vorhanden wäre, erklärt Marketing-Professor Otter.

Red-Bull-Sprecher Stephan Wagner erläutert die Idee dahinter so: "Unsere Aufgabe sehen wir immer dann perfekt erfüllt, wenn es uns gelingt, Athletinnen oder Athleten dabei zu helfen, ihre Träume zu realisieren." Sport gehört also zur Markenidee des Energy Drinks. Könnte aber, wie von Sarah Taccini und ihren Facebook-Unterstützung gefordert, Red Bull ein Krankenhaus in Afrika bezahlen und dennoch den gleichen Werbeeffekt erzeugen?

Ein Krankenhaus würde nicht zur Marke passen

Nicht ganz, sagt Thomas Röhr, Pressesprecher des Deutschen Fundraising-Verbandes: "Red Bull würde eine andere Art der Aufmerksamkeit erzielen." Spektakuläre Aktionen wie der Weltraumsprung von Felix Baumgartner erzeugen einen "medialen Hype: Alle halbe Stunde kam eine Meldung dazu, was als Nächstes passiert." Das geht bei sozialen Projekten, die mitunter Jahre brauchen, um erfolgreich zu sein, natürlich so nicht.

Felix Baumgartner beim Absprung aus 39 km Höhe. Foto: dpa/Red Bull Stratos

Entscheidender noch ist aber die Zielgruppe. "Red Bull hat ein sehr lifestyle-mäßiges Image, da spricht so eine Aktion auch eine spezifische Zielgruppe an", sagt der Fundraising-Experte. Das trifft zum Beispiel auch auf die Underdog-Sportarten zu, die keine so große Medienpräsenz haben wie ein Sprung aus 39 Kilometern Höhe.

Mit karitativen Projekten könne man zwar "grundsätzlich ähnlich viel Aufmerksamkeit erreichen", meint Röhr. Mit dem Geldverdienen werde es dann schon schwieriger: "Wenn man das kritisch hinterfragt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Unternehmen – egal für wen oder was es sich engagiert – natürlich auch immer Geschäftsinteressen im Hintergrund hat."

Nicht nur Spaß und Rekorde

Für Red Bull lohnt es sich also offenbar, Millionen für Felix Baumgartners Extremsport-Großereignis auszugeben. Und nicht nur dafür. Auch beim Blick auf die Zahlen gibt sich die Firma extrem: 2009 gab Red Bull eine Milliarde Euro nur für Marketing aus, bei einem Gesamtumsatz von 3,3 Milliarden Euro (und 2011: 4,3 Milliarden). Zum Vergleich: Die Herstellung des Getränks selbst kostete damals 600 Millionen Euro.

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Hinter Red Bull steht Firmengründer Dietrich Mateschitz, der sein Geld nicht nur für Extremsport ausgibt. Mateschitz spendete Anfang 2012 für die Forschung zur Heilung von Querschnittslähmungen 70 Millionen Euro, außerdem rief er 2004 die Stiftung "Wings for Life" ins Leben, die sich ebenfalls diesem Ziel widmet.

Der Stratosphärensprung war zudem nicht nur Spaß und Rekordjagd. Die amerikanische Raumfahrtagentur Nasa wird die Ergebnisse nutzen, um die bemannte Raumfahrt sicherer zu machen, sagte Dustin Gohmert, im Johnson Space Center in Houston verantwortlich für die Überlebensausrüstung von Astronauten. Die Nasa bewundere das Projekt und werde es als "Modell nutzen, um davon zu lernen".

Reine Wohltätigkeit ist sehr, sehr selten

So bleibt am Ende die Erkenntnis: Red Bull hat eine sehr erfolgreiche Marketing-Kampagne gefahren, vielleicht die erfolgreichste aller Zeiten. Auch Fundraising-Experte Röhr hält die Aktion unter PR-Gesichtspunkten für "äußerst gelungen". Der Kritik von Menschen wie Sarah Taccini auf Facebook nimmt das wohl nicht den Wind aus den Segeln. Das muss aber auch gar nicht sein, meint Röhr: "Dass ein Unternehmen rein aus Wohltätigkeit etwas macht, das ist doch sehr, sehr selten. So lange die Ziele offen genannt werden, ist das auch völlig in Ordnung. Da muss jeder entscheiden, wie er die Aktion selbst beurteilt."