TV-Tipp: "Sörensen fängt Feuer"

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18. Oktober, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Sörensen fängt Feuer"
Dass Bjarne Mädel ein vortrefflicher Schauspieler ist, war allseits bekannt. Sollte es Zweifler gegeben haben, dürften sie spätestens durch die Serie "Der Tatortreiniger" (ab 2011) eines Besseren belehrt worden sein. Die vom NDR in Auftrag gegebene Produktion über die bizarren Begegnungen eines Putzmanns ist gleich zweimal in Folge (2012/13) mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden; und Mädel selbst natürlich auch. Beim NDR war man überdies überzeugt, dass er auch ein guter Regisseur sei, was er mit "Sörensen hat Angst" bestätigte; für den Krimi über einen Großstadtkommissar, der auch auf dem Land keine Ruhe findet, bekam er 2022 einen weiteren Grimme-Preis, diesmal als Hauptdarsteller und Regisseur. 

Nun folgt mit "Sörensen fängt Feuer" die Fortsetzung. Mädel hat vor und hinter der Kamera weitgehend mit dem gleichen Team gearbeitet, das Drehbuch schrieb erneut Sven Stricker nach seiner eigenen Romanvorlage, der Titel-Antiheld leidet nach wie vor unter seinen Angststörungen. Immerhin hat er die früheren Panikattacken dank regelmäßig eingenommener Pillen gegen die Traurigkeit ganz gut im Griff, aber nun will er die Tabletten absetzen, was ihm prompt nicht gut bekommt: Plötzlich herrscht im Polizeiposten von Katenbüll am Nordseedeich eine Stimmung, die mit "gereizt" nur unzureichend umschrieben ist. Gerade mit der Kollegin Holstenbeck (Karin Wichmann), auf die er doch eigentlich große Stücke hält, gerät der Revierleiter immer wieder aneinander. Dabei sind die beiden mit der Lösung ihres neuen Falls eigentlich vollauf ausgelastet.

Die Geschichte beginnt beinahe mit einer Tragödie: Auf einer nächtlichen Landstraße kann Sörensen gerade noch bremsen, bevor er eine junge Frau überfährt. Nach und nach stellt sich raus, dass die blinde Jette (Liv Clasvogt) ihre bisherigen rund zwanzig Lebensjahre eingesperrt in einem Keller verbracht hat. Der mutmaßliche Vater sitzt tot auf seinem Sofa, er wurde das Opfer von 17 Messerstichen. Er gehörte zu einer kleinen fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder nun der Reihe nach ermordet werden. Die Gruppe zeichnet sich durch eine konsequente Bibeltreue aus. Das ist auch der Grund, warum Jette weggesperrt worden ist: Die Leute betrachten Behinderungen als Strafe Gottes. 

"Sörensen fängt Feuer" hätte sich durchaus als ganz normaler Krimi erzählen lassen, und tatsächlich lässt sich der Film auch so betrachten, aber schon allein die Gestaltung unterscheidet Mädels zweite Regiearbeit ganz erheblich vom Rest des Genres. Die Schlüsselszene kurz vor Schluss hat er wie ein Theaterstück inszeniert: Auf einer finsteren Bühne wandert eine Person von einer Lichtinsel zu nächsten und damit von Opfer zu Opfer, um die Hintergründe der Mordserie zu erläutern. Der Fall entpuppt sich zwar als reichlich konstruiert, zumal es einige verblüffende Wendungen gibt, ist aber in sich schlüssig.

Natürlich ist die Suche nach des Rätsels Lösung der Motor der Handlung, aber zwischenzeitlich gerät das Ziel immer wieder aus dem Blick, weil Sörensen und Holstenbeck ihre Befindlichkeiten sortieren müssen. Verdeutlichte im ersten Film noch vor allem die Kameraarbeit (Kristian Leschner), wie es um den Kommissar steht, so deuten diesmal die Erscheinungen seines kindlichen Alter Egos an, wo die Ursachen für die Probleme der einsamen Hauptfigur liegen. Mitunter wird es auf der Metaebene auch mal gruselig.

Selbst wenn die Riege der Mitwirkenden längst nicht mehr so prominent ist wie beim Debüt: Erneut zeigt sich, wie gut Mädel ein Ensemble zu führen weiß. Bei bewährten Kräften wie Michael Maertens war das zu erwarten, aber Liv Clasvogt ist ebenfalls sehr eindrucksvoll. Etwas anstrengend sind hingegen die gelegentlich ausufernden Monologe Sörensens, zumal er sich um Kopf und Kragen redet, wenn er den Beziehungsstatus der Kollegin erörtert. Gerade in den Gesprächen mit den Gläubigen wird es mitunter auch mal grotesk.

Sehr treffend ist allerdings die Erwiderung des Wortführers (Joachim Meyerhoff) der Gruppe, der sich über Sörensens Beileidsfloskel mokiert. Der Kommissar rechtfertigt sich, er wolle die Betroffenen nicht direkt mit der Todesnachricht überfallen und erst mal eine Brücke schlagen, woraufhin der Mann entgegnet, der Tod sei keine Insel, sondern Teil des Lebens und somit des Festlands. Darüber hinaus hat der Film einige Überraschungen zu bieten, und das keineswegs erst im unerwartet romantischen und prominent besetzten Epilog: Zwischendurch wird Sörensen auch mal mitten im laufenden Fernsehprogramm von TV-Moderator Harald Lesch angesprochen.