Menschenrechtler protestieren gegen ehemaligen Sekten-Arzt

Gelände der "Colonia Dignidad"
© epd-bild / Gerhard Dilger
Blick auf das Gelände der Colonia Dignidad (heute "Villa Baviera") in Chile, im Juli 2005. Während des Pinochet-Regimes wurden auf dem hermetisch abgeschotteten Gelände 350 Kilometer südlich von der chilenischen Hauptstadt Santiago politische Gefangene gefoltert, ermordet und verbrannt.
Verbrechen der "Colonia Dignidad"
Menschenrechtler protestieren gegen ehemaligen Sekten-Arzt
Demonstrantinnen und Demonstranten aus Deutschland und Chile haben am Samstag mit einer Kundgebung in der Krefelder Innenstadt Aufklärung über die Verbrechen der Sektensiedlung Colonia Dignidad gefordert.

Mit einer sogenannten "Funa" versammelten sie sich vor dem Haus des einstigen Führungsmitglieds der deutsch-chilenischen Sekte, dem Arzt Hartmut Hopp, der seit seiner Flucht 2011 aus Chile straffrei in Deutschland lebt. Nach Angaben der Polizei in Krefeld nahmen 40 Menschenrechtler an der Kundgebung teil, die friedlich verlief.

"Funa" bedeutet übersetzt auf Deutsch so viel wie "jemanden öffentlich ächten". In Chile machen Menschenrechtsgruppen mit Aktionen vor Häusern von mutmaßlichen Tätern auf die Verbrechen der Pinochet-Diktatur (1973-1990) aufmerksam.

Dieses Jahr jähre sich der Militärputsch in Chile zum 50. Mal, sagte Beate Schmolze von der Medizinischen Flüchtlingshilfe in Bochum, die die "Funa" in Krefeld mit organisiert hatte. "Colonia Digidad fungierte als geheimes Haft- und Folterlager der Diktatur." Bezeugt seien zudem schwerste Menschenrechtsverletzungen gegen Sektenmitglieder und der sexuelle Missbrauch von Kindern.

Der ehemalige Sekten-Arzt Hopp sei 2011 in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung Minderjähriger zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, sagte Schmolze weiter. Zudem habe es weitere Verfahren gegen ihn unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegeben. Doch seit seiner Flucht vor der chilenischen Justiz nach Deutschland lebe Hopp seit 2011 "straflos und unbehelligt" in Krefeld. Die deutsche Justiz habe es abgelehnt, die Strafe zu vollstrecken, alle strafrechtlichen Ermittlungen wegen Verbrechen der Colonia Dignidad seien 2019 eingestellt worden.

"Für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer ist dies nicht zu ertragen", kritisierte die Menschenrechtlerin. Sie appellierte an die deutsche Politik, sich dafür einzusetzen, dass den ehemaligen Sektenmitgliedern Gerechtigkeit widerfährt. Deutschland sollte unter anderem die Einrichtung einer Historiker- und Wahrheitskommission zur Aufklärung der Verbrechen der Colonia Dignidad sowie die Schaffung einer Gedenk- und Dokumentationsstätte in Chile unterstützen.

Die "Colonia Dignidad" wurde 1961 gegründet und unterhielt enge Kontakte zum Pinochet-Regime. Sekten-Gründer Paul Schäfer starb 2010 in chilenischer Haft. Hartmut Hopp, der die Klinik der Kolonie geleitet hatte, galt als enger Vertrauter Schäfers. Ihm wird vorgeworfen, an der Tötung Oppositioneller des Militärregimes, dem Missbrauch Minderjähriger und dem Verabreichen von Psychopharmaka mitgewirkt zu haben.