Politologin Neu: Glaube an Verschwörungsideologien macht einsam

Politologin Neu: Glaube an Verschwörungsideologien macht einsam
09.08.2023
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Verschwörungserzählungen machen nach Erkenntnissen der Politikwissenschaftlerin Viola Neu einsam. „Diejenigen, die komplett in diese Verschwörungswelten abgetaucht sind, haben sich gegenüber ihrer Umwelt komplett immunisiert“, sagte die Abteilungsleiterin bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei bestürzend. „Ich sehe keine Möglichkeit, wie man diese Menschen erreichen kann.“

Die Gruppe sei zwar klein, aber auffällig, sagte Neu. Man könne zwar repräsentativ nicht sagen, wie groß sie tatsächlich sei, weil das empirisch nicht zu messen sei. Ihre neue Studie zur Verbreitung von Verschwörungstheorien in Deutschland zeige: Diese Menschen seien nicht extremistisch, wollten nicht das politische System abschaffen und lehnten nicht Demokratie und Menschenrechte ab. Aber sie lebten in einer absoluten Parallelwelt, sagte Neu.

Sie wüssten, dass andere ihre Aussagen für bestenfalls merkwürdig halten. Wenige versuchten, Mitmenschen zu bekehren. Entweder sie schwiegen, oder sie zögen sich zurück - und das oft mit der Haltung, sie wüssten es besser. „Dieses Gefühl von Überlegenheit ist der Schlüssel zur Immunisierung“, sagte Neu.

Deswegen erreiche man diese Menschen nicht mit klassischen Mitteln der Ansprache: Der Freundeskreis, der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder andere Medien schieden aus. „Wer sich in diesem abgeschlossenen Paralleluniversum bewegt, nimmt andere Fakten nicht mehr wahr“, sagte sie. Es gebe nicht die eine einflussreiche Verschwörungstheorie. Neu sprach von „Patchworkideologien“. Auch dadurch gebe es für die politische Bildung kaum Ansatzpunkte.

Stattdessen, sagte Neu, müsse sich die politische Bildungsarbeit darauf konzentrieren, dass die Gruppe der unerschütterlichen Verschwörungsgläubigen nicht weiter wachse. Die Mehrheit derjenigen, die mit Verschwörungserzählungen sympathisierten, glaube nicht komplett daran. Beim Thema Corona zeige sich in der Studie, dass diese Menschen zum großen Teil überfordert seien von der Menge an Informationen und neuen Begriffen.

Dies führe zu großer Unsicherheit. „Dann können alternative Fakten hängen bleiben, die ja sehr einfach sind“, sagte Neu. Bei diesen Menschen könne man mit Kommunikation dennoch etwas erreichen. Diese Gruppe könne man beispielsweise über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch vergleichsweise gut ansprechen.