Kritik an Forderung nach Abschaffung des individuellen Asylrechts

Kritik an Forderung nach Abschaffung des individuellen Asylrechts
Mit der Forderung, das individuelle Asylrecht abzuschaffen und durch Aufnahmekontingente zu ersetzen, hat der CDU-Politiker Frei eine Debatte entfacht. Sein Vorstoß erntet heftige Kritik.

Berlin (epd). Die Forderung des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), nach einer Abschaffung des Individualrechts auf Asyl ist auf breite Kritik gestoßen. In einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag) schlug Frei vor, das individuelle Recht durch eine „Institutsgarantie“ zu ersetzen, in deren Rahmen die EU jährlich ein Kontingent von 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen könnte.

Vertreter von SPD, Grünen, Linken sowie Verbänden wiesen den Vorstoß als realitätsfremd und geschichtsvergessen zurück. Das Grundrecht auf Asyl sei eine „zivilisatorische Errungenschaft“, erklärte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, bei Twitter.

Frei schreibt, der Konstruktionsfehler des europäischen Asylrechts und damit auch der deutschen Asylpraxis bestehe darin, dass beide auf einer Lüge gründeten. „Wir gestalten unser Asylrecht als Individualrecht aus und sind zugleich nicht bereit, den Anspruch in unbegrenztem Umfang einzulösen, der daraus resultiert.“

Theoretisch hätten allein 35 Millionen Afghanen ein Recht, in Deutschland aufgenommen zu werden. „Damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden.“ Diese Auswahl sei inhuman, da so das „Recht des Stärkeren“ gelte, argumentiert Frei: „Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos.“

Frei plädiert deswegen für die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl, wie es unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention und das Grundgesetz vorsehen. Mit einer Aufnahme über Kontingente verbindet er die Idee, den Schwächsten helfen, besonders belastete Staaten unterstützen, sogenannte irreguläre Migration unterbinden und damit auch Rechtspopulisten den Boden entziehen zu können.

Daran hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Dirk Wiese, Zweifel. Institutslösung klinge geordnet, sei es aber ganz und gar nicht. „Welcher vor Gewalt und Verfolgung Flüchtende verharrt schon, wo er ist und meldet sich ordentlich an?“, fragte Wiese, der den Vorschlag als „realitätsfremd“ bezeichnete.

„Wenn ihr Leben von Bomben, Todesstrafe oder Folter bedroht ist, dann fliehen Menschen“, erklärte der Sprecher von Pro Asyl, Karl Kopp. Die Grünen-Innenpolitikerin Filiz Polat bezweifelte, dass die Idee etwas zur Bekämpfung von Rechtspopulismus beiträgt. „Der Schutz von Geflüchteten wird damit erst recht zum Spielball aktueller politischer Stimmungen“, sagte sie.

Die Kritiker und Kritikerinnen erinnerten zudem an die Entstehung des Grundrechts auf Asyl. „Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben ihm aufgrund der Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur eine hohe Bedeutung beigemessen“, erklärte Diakoniepräsident Ulrich Lilie bei Twitter. Viele Verfolgte hätten damals bitter erfahren müssen, dass die Verweigerung von Asyl die Inhaftierung in Konzentrationslagern und den Tod bedeutete.

Als „geschichtsvergessen“ brandmarkte die Linken-Politikerin Clara Bünger vor diesem Hintergrund Freis Forderung. Zurecht beklage Frei die Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen, sagte sie. „Diese beendet man allerdings nicht, indem man Asylsuchenden die letzten Rechte nimmt, die sie noch haben.“ Viel eher müsse man das individuelle Recht auf Asyl verteidigen.