Bundesregierung unterstützt EU-Migrationsabkommen mit Tunesien

Bundesregierung unterstützt EU-Migrationsabkommen mit Tunesien
Die EU setzt bei der Begrenzung der Migration aus Afrika auf eine engere Zusammenarbeit mit Tunesien. Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben. Dabei ist es in den Reihen der Koalition durchaus umstritten.

Berlin (epd). Die zwischen der EU und Tunesien verhandelte Vereinbarung zur Begrenzung der Migration über das Mittelmeer nach Europa stößt in der Koalition in Berlin auf ein geteiltes Echo. Die Bundesregierung erklärte am Montag „volle Unterstützung“ für das Abkommen. Man verbinde damit die Hoffnung, gemeinsam mit Tunesien irreguläre Migration zurückzudrängen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Kritik kam allerdings aus der Bundestagsfraktion der Grünen. Als „höchst problematisch“ bezeichnete Tobias Bacherle (Grüne), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, die Vereinbarung.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Sonntag eine Absichtserklärung mit Tunesien unterzeichnet, die eine engere Zusammenarbeit in fünf Punkten vorsieht. Einer davon ist der Bereich Migration, wobei das Land wegen seines Umgangs mit Migranten aus Ländern Afrikas südlich der Sahara seit Monaten zunehmend in der Kritik steht. Zuletzt berichtete die Organisation Human Rights Watch davon, dass Flüchtlinge und Migranten in das libysch-tunesische Grenzgebiet verschleppt und dort festgehalten wurden.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts räumte ein, dass die aktuellen Berichte zur Lage der Flüchtlinge in Tunesien und zum Umgang mit ihnen Anlass zur Sorge geben würden. Wichtig sei, dass bei allen Maßnahmen im Bereich Migration menschenrechtliche und humanitäre Verpflichtungen eingehalten und vulnerable Gruppen geschützt würden. Deutschland werde darauf achten. Die EU-Kommission, die das Abkommen verhandelt hat, sei dabei in einer besonderen Verantwortung, betonte er.

Der Grünen-Abgeordnete Bacherle verwies in seinem von der Fraktion verbreiteten Erklärung auf rassistische Stimmungsmache gegen Migranten in Tunesien. „Dass der tunesische Präsident Kais Saied rechtsstaatliche Institutionen aushöhlt und durch rassistische Hetze Menschen zur Flucht zwingt, sollten ein Alarmsignal sein, das ihn als verlässlichen Partner disqualifiziert“, sagte er. Auch sein Fraktionskollege Julian Pahlke kritisierte bei Twitter, Tunesien setze Menschen in der Wüste aus und werde von Europa mit „einem Deal hofiert“. Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt sprach bei Twitter von einem „schmutzigen Deal“. Die EU wolle damit Geflüchtete bekämpfen, nicht Fluchtursachen.

Nach Ansicht des Politikforschers David Kipp ist das Abkommen Ausdruck für einen „klaren Rechtsruck auf europäischer Ebene“. Es zeige, dass es Italien unter Regierungschefin Giorgia Meloni mit seiner strikten Anti-Migrations-Politik gelungen sei, seinen Kurs zu verstetigen und die Unterstützung der Europäischen Union dafür zu gewinnen, sagte der Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erklärte, dass die am Wochenende geschlossene Vereinbarung zwar betone, dass sie auf der Achtung der Menschenrechte basiere. „Doch das ist natürlich extra vage gehalten.“

Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Migranten, die die Überfahrt über das Mittelmeer wagen. In Italien wurde in diesem Jahr bereits die Ankunft von rund 75.000 Flüchtlingen und Migranten registriert, nach weniger als der Hälfte im Vorjahreszeitraum. Mehr als 44.000 von ihnen stachen von Tunesien aus in See. Der Vereinbarung mit der EU zufolge soll Tunesien nun stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, was Europa mit rund 100 Millionen Euro unterstützen will. Insgesamt stellt die EU im Rahmen der Vereinbarung Finanzhilfen im Umfang von etwa 900 Millionen Euro in Aussicht, die die wirtschaftliche Entwicklung stützen sollen.