TV-Tipp: "Schlaflos in Portugal"

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8. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Schlaflos in Portugal"
Die Familien der benachbarten Ehepaare Livia und Richard (Ulrike C. Tscharre, Barry Atsma) sowie Martin und Amira (Oliver Mommsen, Melika Foroutan) sind schon ewig befreundet und verbringen ihren Urlaub regelmäßig in einem Traumhaus an der Algarve. In diesem Jahr droht die Reise auszufallen: Architektin Amira ist durch ein berufliches Projekt verhindert, das den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere darstellt, und Livia hat den Gatten beim Seitensprung ertappt. Um die Kinder nicht zu enttäuschen, lassen sie und Martin sich überzeugen, die schönsten Wochen des Jahres ohne Richard und Amira zu verbringen.

Weil der Titel "Gelegenheit macht Liebe" schon an eine amerikanische Komödie vergeben war, hat die Degeto das Liebesdrama "Schlaflos in Portugal" genannt. Das ist nicht falsch, denn Livia und Martin können gegen Ende des Urlaubs, als es am Abend kräftig geknistert hat, tatsächlich nicht schlafen. "Zeit der Wünsche" wäre ebenfalls sehr treffend gewesen; dummerweise gibt es bereits einen Fernsehfilm dieses Titels. Das Motto stellt Livia über die gemeinsamen Tage, als es Martin endlich gelungen ist, sie aus ihrer Trübsalreserve zu locken: Erst wünscht sie sich, dass er sie beim Joggen begleitet, später bringt sie ihn dazu, in aller Öffentlichkeit zu singen. Schließlich klauen sie einen Transporter, mit dem ein Stier in die Arena gebracht werden soll, und schenken dem Tier die Freiheit. Die Metaphorik dieses Akts liegt auf der Hand, und zum Glück verzichten Ramesh und Regisseur Florian Froschmayer darauf, sie zusätzlich in Worte zu fassen. Auch die Pointen zünden mitunter mit ein wenig Verzögerung, wenn Livia zum Beispiel auf die Frage nach Wein rumstottert und Martin daher einen "Chateau de Tourette" kredenzt. 

Trotz der flotten rockigen Musik von Steffen Kaltschmid ist "Schlaflos in Portugal" dennoch keine Komödie und darüber hinaus ohnehin ein vergleichsweise erwachsener Film. Die Thematik mag an typische "Herzkino"-Konstellationen im ZDF erinnern, aber die Dialoge sind weitaus anspruchsvoller, was sich wiederum paradoxerweise als kleines Manko erweist: Die Ensemblemitglieder haben sich bei der ersten Drehbuchlektüre garantiert über die feinen Formulierungen gefreut, doch sie lassen den Film stellenweise etwas lebensfern wirken. Das gilt vor allem fürs Finale, als sich sämtliche Beteiligten zur großen Aussprache bei Martin und Amira einfinden: Die Emotionen kochen zwar derart hoch, dass Richard sogar eine Rauferei beginnt, aber alle dürfen ausreden, niemand wird unterbrochen, und selbst im Zorn sagen die Beteiligten Sätze mit hoher literarischer Qualität, weshalb das Drama in diesem Moment wie ein Bühnenwerk wirkt. 

Davon abgesehen bereitet es große Freude, den Mitwirkenden zuzuschauen, zumal Ramesh das zentrale Thema angenehm beiläufig einfädelt: Obwohl sie sich schon so lange kennen, stellen Martin und Livia fest, dass sie kaum etwas übereinander wissen. Durch Gespräche und gemeinsame Unternehmungen kommen sie sich näher, aber es bleibt zunächst bei Freundschaft. Das ändert sich, als sie seinen Roman liest. Theoretisch sieht sich Martin als Schriftsteller, praktisch fristet er sein Dasein als Übersetzer von Gebrauchsanweisungen; außerdem kümmert er sich als "Hausmütterchen mit Brustbehaarung" um den Haushalt. Durch sein Buch, sagt Livia, habe sie Dinge über sich erfahren, die sie noch gar nicht wusste. Spätestens jetzt scheint klar, wie die Sache weitergeht, aber stattdessen kommt alles ganz anders, zumal die beiden Teenager-Kinder (Kya-Celina Barucki, Julius Gause) für allerlei Trubel sorgen. 

Sathyan Ramesh ist ein besonderer Autor. Viele seiner Drehbücher waren Komödien mit ernstem Kern ("Matthiesens Töchter", "Kein Herz für Inder"); schon eine seiner ersten Arbeiten, der Ensemble-Film "Eine Nacht im Grandhotel" (2008 verfilmt, aber erst 2011 im "Ersten"), offenbarte sein Talent für kunstvoll komponierte Dramaturgien. Der im letzten Herbst ausgestrahlte süffige Zweiteiler "Süßer Rausch" (ZDF) über eine venezianische Familie, die ihre Probleme traditionell unter den Teppich kehrt, war ein weiterer Beleg dafür, wie es ihm regelmäßig gelingt, der Versuchung des naheliegenden Klischees zu widerstehen. "Schlaflos in Portugal" ist bereits die sechste Verfilmung einer seiner Vorlagen, in der Ulrike C. Tscharre mitwirkt; dank ihrer "Mischung aus Feenzauber und Hemdsärmelcharme" (Ramesh) ist sie offenkundig wie geschaffen für seine Geschichten. Mit dem Schweizer Froschmayer hat der Autor bereits bei der nicht minder sehenswerten melancholischen Freundschaftskomödie "Süßer September" (2015) zusammengearbeitet.