Wie der Hahn auf den Kirchturm kam

Spitze des Kirchturms der Pauluskirche in Halle/Saale mit Wetterhahn im Nebel
© epd-Bild/Steffen Schellhorn
Wetterhahn auf dem Turm der Pauluskirche in Halle/Saale. Als Künder des Lichts und des neuen Tages hat der Hahn auch eine religiöse Bedeutung
Religiöses Symboltier
Wie der Hahn auf den Kirchturm kam
Vor 1200 Jahren soll ein Bischof zum ersten Mal einen Hahn auf eine Kirchturmspitze gesetzt haben. Schon den alten Persern war er heilig. Und er ist auch ein Ostertier.

Sein lautes Krähen ist unüberhörbar: Der Hahn kündigt den Sonnenaufgang an, den neuen Tag und das Ende der Nacht. Als Symboltier hat er einen Erfolgszug durch die Geschichte der Religionen gemacht, von den alten Persern bis zu den Christen. Schon im Jahr 820 soll Bischof Pietro von Brescia einen Hahn auf die Spitze des Kirchturms gesetzt haben.

Für Christen ist er auch ein Ostertier, auch wenn er es mit dem Hasen und dem Lamm nicht aufnehmen kann: Der Hahn steht für den Sieg des Lichts über die Dunkelheit im Morgengrauen und damit für die Auferstehung Christi und das Leben nach der Finsternis im Grab.

In den Evangelien hat er eine besondere Rolle: Laut den biblischen Berichten hatte Jesus kurz vor seinem Tod seinem Jünger Petrus prophezeit, dass dieser ihn dreimal verleugnen würde, "ehe der Hahn kräht" (Mt 26,34). So kam es: Petrus drehte sich aus Angst mit dem Wind - wie heute die Hähne auf den Kirchtürmen. Im Markusevangelium (Kapitel 13) wird der Hahnenschrei als möglicher Zeitpunkt für die Rückkehr des Menschensohns genannt: "Seid wachsam."

Nach mittelalterlichem Volksglauben wehrte der Hahn böse Dämonen ab - schließlich schien er als Verkünder des Sonnenaufgangs die Geister der Nacht in die Flucht zu schlagen. Und er sollte die Dächer vor Hagel und Blitzschlag schützen. Dahinter steckte die spätmittelalterliche "Sympathielehre", nach der Gleiches mit Gleichem bekämpft wurde: Der Hahn mit seinem Feuerkamm sollte die Häuser und Kirchen vor Feuer bewahren.

Symbol des Lichts

Je nach Region und Tradition sind auch Kreuze auf Kirchturmspitzen zu finden - oder Schwäne wie in Nordwestdeutschland. Der böhmische Reformator Jan Hus soll 1415 auf dem Weg zum Scheiterhaufen gesagt haben: "Heut in des argen Feuers Glut, ein arme Gans ihr braten tut, nach hundert Jahren kommt ein Schwan, den sollt ihr ungebraten lan (erleiden)." Gut 100 Jahre später bezog Reformator Martin Luther die Prophezeiung auf sich und wurde auf Bildern fortan immer wieder von einem "Luther-Schwan" begleitet.

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Die Kulturgeschichte des Hahns aber reicht viel weiter zurück: Im Altertum galt er als "persischer Vogel". Die Perser hatten das domestizierte Huhn von der Indus-Kultur übernommen. Der Hahn war ihrem Gott Mitra heilig. Als Zarathustra um 1000 vor Christus seine dualistische Religion einführte, stufte er die alten Götter zu Dämonen herab. Aber der Hahn blieb: Er begleitete nun den neuen Lichtgott Ahura Mazda.

Ruf zur Umkehr

Auch Mitra überlebte, in Gestalt des in Kleinasien hellenisierten Mithras - mit einer roten Mütze, die einem Hahnenkamm glich. Mithras wurde zu einem Sonnengott, dem neben dem Raben der Hahn heilig blieb. Im römischen Reich entwickelte er sich zum wichtigsten Rivalen des Christengottes. Aber im vierten Jahrhundert erhob der römische Kaiser das Christentum zur Staatsreligion, 392 wurden alle heidnischen Kulte untersagte. Der Hahn überlebte, als Allegorie der Sonne.

Auf vielen antiken Darstellungen sind Hähne auch als Kämpfer zu sehen - Hahnenkämpfe waren lange populär. Alektor, der Wehrhafte, so nannten ihn die alten Griechen.

Auf zwei Mosaiken in der spätantiken christlichen Basilika von Aquileia im italienischen Friaul begegnet ein offensiver Hahn einer behäbigen Schildkröte - vermutlich ein Symbol für Ketzer. Kirchenhistoriker Stefan Metz von der Universität Tübingen sieht hier einen Bedeutungswandel: "Es handelt sich dabei um eine Variation des Rufs zur Umkehr, der aus den Evangelien bekannt ist", resümiert Metz. Der Hahn hatte ja auch Petrus an die Worte Jesu erinnert und zur Umkehr aufgerufen. Heute drehen sich die Hähne hoch oben auf Dächern zumeist nur noch als Windfahne, und keiner kräht mehr nach ihnen.