Bielefeld, Lützerath (epd). Der Konfliktforscher Andreas Zick appelliert an Polizei und Aktivisten, bei der Räumung von Lützerath den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Das Fatale in Lützerath sei die Aussichtslosigkeit und eine daraus entstehende Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Wut, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd). So sollten selbst bei der Räumung weitere Signale kommen, mit den Klimaaktivisten im Gespräch zu bleiben. „Es wäre gut, wenn jede Form der Gewalt auf allen Seiten dokumentiert und gut aufgearbeitet wird“, sagte der Konfliktforscher. Am Mittwochvormittag hatte die Polizei mit der Räumung des von Klimaaktivsten besetzten Dorfes begonnen, das dem Braunkohleabbau des Konzerns RWE weichen soll.
„Dass es aggressiver wird, liegt nahe, weil die Enttäuschung und das Ungerechtigkeitsempfinden derzeit mit jeder Stunde steigen“, sagte Zick. Es würden deshalb bereits Maßnahmen der Deeskalation ergriffen, so seien Konfliktexperten vor Ort. Viele dieser Maßnahmen seien jedoch nicht im Blick der Öffentlichkeit. „Die Gewaltakte wie Steinwürfe und aggressiven Rangeleien sowie die Widerstandsaktionen sind im Fokus“, beklagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld Konfliktforscher.
Die Situation in Lützerath unterscheidet sich jedoch nach Einschätzung Zicks vom G-20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017, wo es zu exzessiven Ausschreitungen gekommen war. „In Lützerath gibt es eine eher bürgerliche Mitte, die viel einflussreicher ist, die Aktionen werden mit Medien besprochen“, erläuterte Zick. In Hamburg sei die Situation eskaliert, als es zu direkter Konfrontation zwischen Polizei und dem „Schwarzen Block“ im engen Schanzenviertel gekommen sei. Für die Gewalt später seien vor allem Gruppen verantwortlich gewesen, denen es nicht um das Thema gegangen sei, wie die Plünderungen und Autobrände gezeigt hätten.
Der Protest in Lützerath ist nach Einschätzung Zicks Teil einer Protestbewegung, die in der Tradition des gewaltfreien Widerstandes steht. Es gebe „viele, die eine extrem tiefe Enttäuschung erfahren“, sagte der Konfliktforscher. Lützerath sei zum Symbol der Wende des Klimawandels geworden. Es gehe um mehr als den Ort. Es gehe darum, welche Haltung der grün-christdemokratischen Landesregierung, des Staates und der öffentlichen Ordnung mit der Räumung sichtbar werde.