Hilfsorganisationen warnen vor Legitimierung von Pushbacks

Hilfsorganisationen warnen vor Legitimierung von Pushbacks
07.12.2022
epd
epd-Gespräch: Marlene Brey

Brüssel (epd). Menschenrechtler und Entwicklungsorganisationen warnen davor, dass illegale Zurückweisungen von Migranten an den EU-Außengrenzen durch ein neues Gesetzesvorhaben legitimiert werden könnten. „Wir fordern die Bundesregierung auf, der geplanten Instrumentalisierungsverordnung eine Absage zu erteilen“, sagte Andreas Grünewald, Referent für Migration bei „Brot für die Welt“, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die sogenannte Instrumentalisierungsverordnung der EU soll den Mitgliedstaaten erlauben, von geltendem Asylrecht abzuweichen. Am Donnerstag könnten die EU-Innenminister bei ihrem Treffen in Brüssel über das Vorhaben entscheiden. Die Vorgeschichte zu der Verordnung spielte sich im Herbst 2021 ab. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko drohte der EU mit den Worten, die Union „mit Migranten und Drogen zu überfluten“ und lockte Tausende Migranten mit falschen Versprechen an die Grenze zu Polen.

Seither sucht die EU eine Lösung gegen die Instrumentalisierung von Migranten. Im Dezember 2021 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung vor. Die Tschechische Ratspräsidentschaft wolle noch im Dezember auf Ratsebene eine Einigung erreichen, sagte Grünewald. In einem offenen Brief wenden sich „Brot für die Welt“ und 34 weitere Hilfsorganisationen gegen die Verordnung.

Deutschlands Stimme ist nach Einschätzung Grünewalds mitentscheidend dafür, ob es zu einer solchen Einigung kommt. Die Parteien der Ampel-Regierung wollen laut Koalitionsvertrag die „illegalen Zurückweisungen und das Leid an den EU-Außengrenzen“ beenden. Mit der Zustimmung der Bundesregierung zur Verordnung würde dieses Ziel in weite Ferne rücken, sagte Grünewald. „Es ist wirklich sehr enttäuschend, dass die Bundesregierung sich bisher nicht klar positioniert hat.“

Im Kampf gegen die Instrumentalisierung von Migranten adressiere die EU nicht die Drittstaaten, die Menschen instrumentalisierten, sondern die Migranten, sagte Grünewald. Die Verordnung sehe unter anderem vor, dass im Falle einer Instrumentalisierung Grenzpunkte geschlossen werden. Migranten dürften fünf Monate inhaftiert werden, ohne dass ein Asylverfahren begonnen werde. Ihre Registrierung dürfe bis zu drei Wochen dauern. „In der Praxis wissen wir, dass so lange Zeiträume zu Pushbacks führen, weil die Menschen offiziell noch gar nicht im Land sind“, sagte Grünewald.

Die Definition dessen, was eine Instrumentalisierung darstelle, bleibe gefährlich vage. Die Verordnung sehe aber vor, dass auch private Akteure dafür verantwortlich sein könnten. Italien wolle die Verordnung zum Beispiel so auslegen, dass auch Seenotrettung als Instrumentalisierung gewertet werden könne, sagte Grünewald.