Gericht fordert Wiederholung der Berliner Pannenwahl

Gericht fordert Wiederholung der Berliner Pannenwahl
Fehlende Wahlzettel, verlängerte Öffnungszeiten, lange Schlangen vor den Wahllokalen: Vielerorts gab es bei den Urnengängen vom 26. September 2021 in Berlin Pannen. Nun ist klar: Die Wahlen müssen wiederholt werden.

Berlin (epd). Alles auf Neustart: Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksparlamenten vom September 2021 müssen flächendeckend wiederholt werden. Der Berliner Verfassungsgerichtshof erklärte sie am Mittwoch für ungültig. Bei dem Urnengang war es zu zahlreichen Pannen gekommen. Die Entscheidung fiel mit sieben gegen zwei Stimmen. (AZ: VerfGH 154/21)

Zur Begründung der Entscheidung sagte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting, die Wahlen seien unzureichend vorbereitet worden. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass die zahlreichen Pannen Einfluss auf die Sitzverteilung gehabt haben könnten. Die Anzahl der Wahlfehler sei in der Geschichte der Bundesrepublik wohl einzigartig. Die Richterin sprach von schweren systemischen Mängeln bei der Wahlvorbereitung. Eine Wahlwiederholung muss spätestens 90 Tage nach Verkündung des Urteils stattfinden. Bislang hatte der Berliner Senat den 12. Februar dafür vorgesehen.

Laut Verfassungsgerichtshof muss das Urteil nicht durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden, wie zuvor von der Senatsinnenverwaltung angeregt. Zur Begründung sagte Selting, das Landesverfassungsgericht sei mit seinem Votum nicht von der bisherigen Rechtsprechung der Karlsruher Richter abgewichen. Der Bundestag hatte bereits in der vergangenen Woche für eine Wiederholung der am selben Tag stattgefundenen Bundestagswahl in 431 von mehr als 2.200 Berliner Lokalen gestimmt.

Unter anderem fehlte es bei den Wahlen vom 26. September 2021 in Berlin an Wahlzetteln, Wahllokale hatten länger als bis 18 Uhr geöffnet und die Wähler mussten teilweise stundenlang vor den Lokalen ausharren. Unklar sei, wie viele Wähler dadurch vom Urnengang abgehalten wurden, so Selting. Auch wurden rund 4.000 falsche Stimmzettel ausgeteilt. Bemängelt wurden auch zu wenig Wahlkabinen und eine falsch kalkulierte Verweildauer in den Wahlkabinen.

Bei den Wahlen im vergangenen September waren die Berliner aufgerufen, auf fünf Stimmzetteln sechs Stimmen abzugeben. Neben der Bundestagswahl, den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen gab es eine Abstimmung über einen Volksentscheid zur Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen. Die Wahlen fanden unter Corona-Bedingungen statt. Zugleich fand der Berlin-Marathon statt, der zu Verkehrsbeeinträchtigungen führte.

Zur Begründung seines Urteils bezog sich das Verfassungsgericht auf die 2.256 Protokolle sämtlicher Berliner Wahllokale sowie auf Daten der Landeswahlleitung. Zudem gab es rund hundert Schriftsätze der insgesamt mehr als 3.000 Verfahrensbeteiligten. Das Ergebnis: Verfassungsrechtliche Standards könnten nur durch die vollständige Ungültigkeitserklärung der Berliner Wahlen gewährleistet werden, so Selting.

Für eine flächendeckende Ungültigkeitserklärung sprach laut Gericht unter anderem, dass insgesamt 88 von 147 Sitzen im Abgeordnetenhaus, rund 60 Prozent, von mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffen sind. Eine nur punktuelle Wiederholungswahl widerspräche demnach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass das Gesamtergebnis einer Wahl eine einheitliche Momentaufnahme des Volkswillens zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen soll.