Das Narrativ über Geflüchtete ändern

Würfel mit Worten "Change" und "Chance"
© eternalcreative/iStockphoto/Getty Images
Es ist wichtig, dass bei der Berichterstattung über Geflüchtete auf die Wortwahl geachtet wird. So stellt sich beispielsweise das Schulungsprogramm "Changing the Narrative" die Aufgabe, die Geschichten der Geflüchteten in deren Worten zu berichten.
Blog zu medialer Repräsentation
Das Narrativ über Geflüchtete ändern
Worte bilden nicht nur die Welt ab. Sie gestalten sie. Die Medienberichterstattung über geflüchtete Menschen zeigt dies sehr deutlich. Erin Green, Projektkoordinatorin bei der World Association for Christian Communication (WACC), ruft dazu auf, stereotype Narrative zu ändern.

Illegal. Terrorist. Verbrecher. Invasion. Dies sind nur einige wenige Wörter, die in den Schlagzeilen über Geflüchtete vorkommen. Weltweit – und insbesondere auch in Europa – stehen Menschen vor enormen Herausforderungen, wenn sie vor Krieg und Verfolgung fliehen, Sicherheit außerhalb ihrer Heimat suchen und sich ein neues Leben aufbauen. Eine unausgewogene oder voreingenommene Medienberichterstattung schafft weitere Probleme, sodass Geflüchtete neben körperlichen oder psychischen Verletzungen, die sie ohnehin schon erleiden mussten, auch noch negativen Stereotypen und einem feindseligen öffentlichen Diskurs ausgesetzt sind. Vor allem die sozialen Medien sind voll von migrant:innenfeindlicher Rhetorik und Hassreden, die leider teilweise auch reale Gewalt schüren.

Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen gab es 2019 weltweit fast 80 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen, denen weniger als 110 000 Neuansiedlungen gegenüberstanden. Die Corona-Pandemie schränkte die Freizügigkeit von Menschen weltweit drastisch ein. Mindestens 100 Länder schlossen sogar ihre Grenzen für Asylsuchende.

Bei der Medienberichterstattung über Geflüchtete gibt es mindestens fünf große Herausforderungen: Migrant*innen und Flüchtlinge sind medial oft unsichtbar, zumal die Berichterstattung über die Pandemie in den letzten Jahren die globalen Nachrichten dominiert hat. Ihre Geschichten werden nicht erzählt, ihre Stimmen werden ausgeklammert, und sie treten aus dem öffentlichen Bewusstsein zurück, obwohl ihre Zahl weiter steigt.

Die Medienberichterstattung kann unausgewogen sein. Geflüchtete werden nicht oft zitiert oder dürfen nicht für sich selbst sprechen. Frauen sind stark unterrepräsentiert. Die Voreingenommenheit von Medien zeigt sich unter anderem dann, wenn die Belastung übertrieben dargestellt wird, die Flüchtlinge und Migrant*innen für die Gesellschaften mitbringen, die sie aufnehmen. Oft wird behauptet, Geflüchtete würden Ressourcen und Arbeitsplätze wegnehmen, während sie im Gegenzug wenig böten.

Mehr Diversität in Redaktionen erforderlich

Migrant:innen sind auch in den Redaktionen nur unzureichend vertreten. Eine größere Vielfalt im professionellen Journalismus ist dringend erforderlich, sowohl bei der Berichterstattung über Flüchtlings- und Migrationsthemen als auch darüber hinaus.

Fake News, Desinformation und Hassreden sind in Bezug auf Geflüchtete häufig und verbreiten sich leicht, insbesondere in den sozialen Medien.
"Changing the Narrative", ein Journalist:innenschulungsprogramm der Regionalverbände Afrika, Europa und Naher Osten des Weltverbands für christliche Kommunikation, brachte 15 Journalist:innen zusammen, die bereit waren, sich diesen Herausforderungen in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld zu stellen. Sie setzten ihre Fähigkeiten ein, um Geflüchteten zuzuhören und deren Geschichten in deren eigenen Worten zu erzählen. Sie erzählten Geschichten von Studierenden und Müttern, Geschäftsinhaber:innen und Blogger:innen, die alle irgendwann auch einmal Geflüchtete waren.

Die so entstandenen Podcasts, Artikel und Dokumentarfilme stützten sich auf Fakten und juristisches Wissen, um Mythen über Flüchtlinge und Migrant*innen zu widerlegen. Sie zeigten die Menschlichkeit von Flüchtlingen und Migrant*innen und schufen Raum in den Nachrichten, um die Unsichtbarkeit zu bekämpfen. Die Journalist:innen selbst hatten unterschiedliche Hintergründe; viele waren selbst auch Migrant*innen oder Flüchtlinge und trugen durch diesen Hintergrund zur notwendigen Vielfalt in den Redaktionen bei. Sie arbeiteten zusammen und zeigten damit die Stärke von Netzwerken. Denn Netzwerke ermöglichen, dass immer mehr Menschen in der Lage sind, Geschichten über Geflüchtete in Afrika, Europa und dem Nahen Osten zu erzählen.

Eine faire, ausgewogene und solide Berichterstattung über Geflüchtete ist ein wirksames Instrument, um die öffentliche Meinung und die Politik der Regierung im Sinne des sozialen Zusammenhalts zu beeinflussen. Die Förderung der Kommunikationsrechte von Migrant:innen und Flüchtlingen, auch durch die journalistische Erzählung ihrer Geschichten, ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Menschenrechte, während sie sich außerhalb ihrer Heimatgemeinden und -länder ein neues Leben aufbauen. Ihre Perspektiven sind in allen Bereichen des Journalismus von unschätzbarem Wert, von Mode über Politik bis hin zu Sport und mehr. Ein inklusiverer und vielfältigerer Journalismus spiegelt einfach besser die Vielfalt wider, die uns bereits umgibt.

Jede:r von uns kann Schritte unternehmen, um die Darstellung von Flüchtlingen und Migrant:innen zu ändern. Wir können auf die Worte achten, die wir verwenden, lesen und weitergeben. Wir können mehr zuhören als reden. Wir können nach neuen Perspektiven suchen und die Person über ihren Status als Migrant:in und Flüchtling hinaus sehen. Gemeinsam und vertrauensvoll können wir die Hoffnung auf eine Welt leben, in der das Wort "Flüchtling" vielleicht der Anfang einer Geschichte ist, aber sicher nicht das Ende.

evangelisch.de dankt mission.de und der Evangelischen Mission Weltweit für die inhaltliche Kooperation.