Staatsleistungen: EKD-Bevollmächtigte sieht Probleme auf Länderebene

Staatsleistungen: EKD-Bevollmächtigte sieht Probleme auf Länderebene
16.10.2022
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow

Berlin (epd). Die neue Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, versteht den Wunsch der Politik nach einer Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, sieht aber auch Probleme. „Es ist Zeit, nach über 100 Jahren endlich den Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen zu erfüllen“, sagte Gidion dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die eigentliche Schwierigkeit liege aber auf Ebene der Länder.

„Wenn es ein Bundesgesetz gibt, müssen die konkreten Ablöseregelungen zwischen Ländern und Landeskirchen verhandelt werden“, erklärte Gidion. Dort seien nach Corona die Kassen klamm, deswegen müsse über die Modalitäten geredet werden. Gidion regte an, nicht nur über Ablösezahlungen zu reden, „sondern auch über Gebäude und Grundstücke“.

Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie sind von der Kirchensteuer zu unterscheiden und betragen aktuell rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr an evangelische und katholische Kirche.

Im Grundgesetz steht eine aus der Weimarer Reichsverfassung übernommene Verpflichtung zur Ablösung der Staatsleistungen. SPD, Grüne und FDP haben dieses Vorhaben erstmals in einem Koalitionsvertrag vereinbart. Sie finde es positiv, dass die Ampelkoalition das ausdrücklich im Gespräch mit den Kirchen vorantreiben wolle, sagte Gidion. Der Bund ist in der Ablöse-Frage zuständig dafür, die Rahmenbedingungen gesetzlich zu verankern. Die konkreten Verhandlungen müssten die Länder führen, die die Zahlungen leisten.

Gidion vertritt seit dem 1. Oktober als EKD-Bevollmächtigte die Interessen ihrer Kirche gegenüber Regierung und Parlament. Am Freitag (21. Oktober) wird die 51-Jährige offiziell ins Amt eingeführt. Die Pastorin war zuvor Rektorin des Pastoralkollegs der Nordkirche in Ratzeburg, einer Weiterbildungsstätte für Pfarrerinnen und Pfarrer. Davor arbeitete sie bereits als Referentin im Berliner EKD-Büro und war Anfang der 2000er-Jahre als Referentin im Bundespräsidialamt für die Verbindung zu Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig.

Gidion ist zugleich Seelsorgerin für Abgeordnete und Regierungsmitglieder, sie hält Gottesdienste und Andachten im Bundestag. Die evangelische Kirche dürfe den politischen Raum betreten, „sie ist mehr als eine Interessenvertretung“, betonte Gidion.

Als wichtige Aufgabe bezeichnete Gidion die Mitarbeit im sogenannten Beteiligungsforum, über das die evangelische Kirche mit einem neuen Format Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche einbinden will. „In unserer Kirche wurde Menschen Unrecht angetan und Leid zugefügt“, sagte Gidion. Das schmerze. Verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen sei ein langer Prozess.