Högel-Prozess: Angeklagte können auf Freispruch hoffen

Högel-Prozess: Angeklagte können auf Freispruch hoffen
Gericht sieht kein vorsätzliches Handeln bei Ex-Vorgesetzten
Der Prozess gegen frühere Chefs des Patientenmörders Niels Högel geht seinem Ende zu. Seit Februar will die Staatsanwaltschaft ihnen eine Mitschuld nachweisen. Doch nach Einschätzung des Gerichts ist dies nicht mit ausreichender Gewissheit möglich.

Oldenburg (epd). Im Prozess gegen sieben frühere Kollegen und Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel können alle Angeklagten auf einen Freispruch hoffen. Der Vorsitzende Richter am Oldenburger Landgericht, Sebastian Bührmann, sagte am Dienstag, für die drei Angeklagten aus dem Krankenhaus Delmenhorst könne „kein vorsätzliches Handeln mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Gewissheit“ festgestellt werden. Bereits am 4. Juli hatte der Richter erläutert, dass sich für die Angeklagten aus dem Oldenburger Klinikum eine Mitschuld „nicht mit ausreichender Gewissheit“ belegen lasse. (Az.: 5 Ks 20/16)

Angeklagt sind Ärzte, ein früherer Geschäftsführer und Verantwortliche aus der Pflege aus dem Klinikum Oldenburg und dem damaligen Krankenhaus Delmenhorst. Ihnen wird Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen vorgeworfen, weil sie Verdachtsmomenten nicht nachgegangen sein sollen. Laut der Staatsanwaltschaft hätten sie die Mordserie früher beenden können. Die Verteidigung hatte dies von Beginn an zurückgewiesen.

Der Ex-Krankenpfleger Högel war im Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht zu lebenslanger Haft wegen 85 Morden verurteilt worden. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen. Högel war zunächst im Klinikum Oldenburg, später am Delmenhorster Krankenhaus beschäftigt.

Die Schwurgerichtskammer gehe nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass Högel für den Tod aller in der Anklage für den Komplex Delmenhorst genannten Gestorbenen verantwortlich gewesen sei. Die Beweisaufnahme belege nicht mit der erforderlichen Gewissheit ein auch nur bedingt vorsätzliches Verhalten der Angeklagten vom Klinikum Delmenhorst. Möglicherweise in Betracht kommende Vorwürfe der fahrlässigen Tötung oder der fahrlässigen Körperverletzung sind Bührmann zufolge bereits verjährt.

Wie schon für die Zeit in Oldenburg habe die Beweisaufnahme auch für Delmenhorst ein im Laufe der Zeit zunehmendes Misstrauen belegt. Dies habe sich verdichtet, nachdem eine Krankenschwester Högel dabei ertappte, wie er einem Patienten ein nicht verordnetes Medikament verabreichte. Dennoch könne nicht belegt werden, dass die Angeklagten den Tod ihrer Patienten als Folge von Högels Taten tatsächlich erkannten, sagte der Richter.

Am 12. Oktober sollen die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage ihre Plädoyers halten. Vermutlich können die insgesamt 17 Anwältinnen und Anwälten der Verteidigung noch am selben Tag mit ihren Plädoyers beginnen. Am 24. Oktober werden die Angeklagten das letzte Wort erhalten. Die Urteilsverkündung ist für den 25. Oktober geplant.