"So stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern"

"So stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern"
Die Psychologie ist sich einig: Ein offener Umgang mit der Nacktheit wirkt sich positiv auf das Körperbild aus. Grund genug für viele, am 14. Juli den internationalen Tag der Nacktheit zu feiern.
13.07.2022
epd
Von Nicole Kiesewetter (epd)

Greifswald (epd). Über die Entstehung des Tags der Nacktheit gibt es zwei unterschiedliche Geschichten: Die erste geht auf den neuseeländischen Rugbyspieler und TV-Moderator Marc Ellis zurück. Im Jahr 2003 veranstaltete er die „National Nude Day“-Kampagne: Er belohnte jeden mit Geld, der der damaligen Ministerpräsidentin Helen Clark in der Öffentlichkeit unbekleidet gegenübertrat. Diese Aktion entwickelte sich zum nationalen „Nude Day“ in Neuseeland und erregte auch international Aufmerksamkeit.

Die zweite Geschichte rund um diesen eher unbekannten Aktionstag geht zurück ins Jahr 1976: In den USA soll dieser Tag von Nudisten- und Naturalistenverbänden initiiert worden sein. Gleich, wo seine Wurzeln liegen: Heute wird der Tag der Nacktheit am 14. Juli in über 30 Ländern gefeiert.

Begehen kann man diesen Tag beispielsweise, indem man sich zu Hause ohne Kleidung bewegt. Sich einfach so in der Öffentlichkeit zu entkleiden, ist verboten und kann mit Bußgeldern bestraft werden. Doch die meisten Menschen lassen lieber dort die Hüllen fallen, wo es nicht für Aufsehen sorgt und man auf Gleichgesinnte trifft: An den Stränden, an denen Freikörperkultur (FKK) offiziell erlaubt ist.

Hinter der Freikörperkultur-Bewegung steht eine Lebenseinstellung, der zufolge der nackte Körper kein Grund für Schamgefühle ist. Psychologen haben entsprechend festgestellt: Eine größere Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, die Emanzipation gegenüber herrschenden Schönheitsidealen oder die Akzeptanz der eigenen wie auch fremder Makel sind positive Auswirkungen der FKK.

In der DDR war FKK eine Institution. Doch nach der Wiedervereinigung wurde das Nacktbaden in den neuen Bundesländern zurückgedrängt. Besonders an den Ostseestränden kam es in den 1990er-Jahren zu Konflikten um das Nacktbaden, in deren Folge einige Kommunen die FKK-Strände wieder verkleinerten. Zuletzt wurden die Gepflogenheiten wieder etwas lockerer. Inzwischen ist es an vielen ehemals textilfreien Orten weitgehend akzeptiert, sowohl bekleidet als auch nackt zu sein.

Noch heute sind 30.000 Menschen im deutschen Verband für Freikörperkultur organisiert, doch seit der Wiedervereinigung sinkt die Zahl der Anhänger kontinuierlich. Eine Entwicklung, die der Linken-Politiker Gregor Gysi schon vor einigen Jahren bedauert hat: „In manchen Punkten war die DDR prüder, und in anderen war sie weiter“, sagte Gysi 2017 dem Magazin „Playboy“.

Seinem Empfinden nach werde die Freikörperkultur in Ostdeutschland „Schritt für Schritt abgeschafft“. Als möglichen Grund dafür nannte Gysi, dass „Westmänner teilweise mit einem pornografischen Blick“ etwa an den Strand kämen und Frauen sich beim FKK aber nicht vorführen wollen. Das habe ihm ein Sexualwissenschaftler so erklärt.

Gysi kann sich bei seinem Plädoyer für Nacktheit auf historischen Beistand berufen: Schon der Dichter Heinrich Heine (1797-1856) wusste: „Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern.“ Und der einstige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) outete sich mit dem Ausspruch: „Ich mag das nasse Ding nicht auf dem Leib haben“ gleich unumwunden als Nacktbader.