NRW lässt Medikamenteneinsatz in Heimen von 1946 bis 1980 untersuchen

NRW lässt Medikamenteneinsatz in Heimen von 1946 bis 1980 untersuchen

Düsseldorf (epd). Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium lässt den missbräuchlichen Medikamenteneinsatz an ehemaligen Heimkindern aufarbeiten. Eine in Auftrag gegebene Studie untersucht Medikamententests in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe und der Psychiatrie von der Gründung des Landes im Jahr 1946 bis 1980, wie das Gesundheitsministerium am Sonntag in Düsseldorf mitteilte.

Die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse und Erlebnisberichte damaliger Opfer belegten in vielen Fällen, dass Kindern und Jugendlichen unsachgemäß und missbräuchlich Medikamente verabreicht worden seien, sagte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Sonntag. „Dieses dunkle Kapitel unserer Landesgeschichte muss aufgeklärt werden. Das sind wir den Betroffenen schuldig“, betonte er.

Die Leitung des vierköpfigen Forschungsteams hat demnach der Düsseldorfer Medizinhistoriker und -ethiker Heiner Fangerau übernommen. Fangerau hatte die im vergangenen Jahr abgeschlossene bundesweite Studie zu Gewalt und Demütigungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie koordiniert.

Das Land finanziert die auf zwei Jahre angelegte Studie mit 430.000 Euro, wie es hieß. Zum wissenschaftlichen Team gehören zudem der Hildesheimer Professor Wolfgang Schröer, der seit 2013 Forschungsvorhaben im Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten leitet, sowie Ethik-Professor Karsten Laudien von der Evangelischen Hochschule Berlin und die Leiterin des Instituts für Heimerziehungsforschung, Anke Dreier.

Die beiden waren ebenfalls an der im September 2021 veröffentlichten Studie im Auftrag der Bundesregierung beteiligt, die das Schicksal behinderter Kinder in Heimen und Psychiatrie-Einrichtungen der alten Bundesrepublik und ehemaligen DDR untersucht hatte. Diese hatte ergeben, dass trotz unterschiedlicher politischer Systeme die Kinder in beiden deutschen Ländern unter Mangel, Härte, Gewalt, fehlender Förderung, Isolation und Zwang gelitten hätten.

Die neue Studie soll den Angaben zufolge Hintergründe und Ausmaß der Testung von Medikamenten in nordrhein-westfälischen Heimen aufdecken. Auch solle der Einsatz von Medikamenten zur Disziplinierung oder Ruhigstellung von Kindern und Jugendlichen untersucht werden. Das Forscher-Team will dazu beispielsweise in Archiven von Einrichtungsträgern und arzneimittelproduzierenden Unternehmen recherchieren. Ebenso sind Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geplant, wie es hieß.