EKD-Ratsvorsitzende Kurschus befürwortet Dienstpflicht

EKD-Ratsvorsitzende Kurschus befürwortet Dienstpflicht
14.06.2022
epd
epd-Gespräch: Ingo Lehnick

Bielefeld (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, unterstützt den Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine soziale Dienstpflicht für junge Leute. „Es ist in mancher Hinsicht ein sehr reizvoller und positiver Gedanke, den weiterzuverfolgen sich lohnt“, sagte sie am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld. „Wie so ein Dienst konkret aussieht, darüber müssten wir freilich noch sorgfältig nachdenken.“

Eine solche Zeit könne ein großer persönlicher Erfahrungsschatz für die Einzelnen sein, von dem sie unter Umständen ihr ganzes Leben lang profitierten, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. „Und auch für unsere Gesellschaft kann es belebend und bereichernd sein, wenn junge Menschen in einer bestimmten Phase ihres Lebens etwas für die Gemeinschaft tun, in der sie leben, und sich entsprechend einbringen.“ Wichtig sei aber, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gebe: „Wer keine Lust hat, bei der Pflege von Menschen zu helfen, hat vielleicht Lust, einen Garten zu pflegen oder einen Wald aufzuräumen.“

Sie halte die Verpflichtung zu einem sozialen Dienst nicht für einen ungebührlichen Zwang, der die Entfaltung junger Frauen und Männer zu sehr beschneiden würde, sagte die 59-jährige Theologin. Umgekehrt werde ein Schuh daraus: „Wir könnten jungen Menschen damit Lebensräume und Perspektiven eröffnen, die sie 'freiwillig' und von sich aus vielleicht nie entdecken würden.“

Kurschus räumte ein, dass ein verpflichtender Sozialdienst eine Gratwanderung zwischen gelebter persönlicher Freiheit und dem Einsatz für andere sei. Freiheit heiße aber nicht allein, „dass ich meine Bedürfnisse möglichst ungehindert ausleben kann, sondern auch, dass ich meine persönliche Freiheit einer Gesamtgesellschaft verdanke, in die mein Leben eingebettet ist“. In ihren Augen sei ein sozialer Pflichtdienst „ein Raum, in dem ich frei bin, mich innerhalb eines bestimmten Zeitraums für andere Menschen und das Gemeinwohl einzusetzen“. Von diesem Gemeinwohl profitiere sie schließlich selbst.

Ein solcher Sozialdienst könne aber nur ein Anfang in einer Kette mit mehreren Gliedern sein, betonte die EKD-Ratsvorsitzende. „Es geht vor allem darum, ein Bewusstsein für Solidarität und die Notwendigkeit eines guten Miteinanders zu schaffen.“

Steinmeier hatte in der „Bild am Sonntag“ eine Debatte über eine sogenannte soziale Pflichtzeit angeregt, die bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen geleistet werden könnte. Der Vorschlag wird in Politik und Wohlfahrtsverbänden kontrovers diskutiert. Unterschiedliche Meinungen gibt es auch im evangelischen Wohlfahrtsverband, der Diakonie: Während für Diakonie-Präsident Ulrich Lilie „Freiwilligkeit und persönliche Überzeugung“ entscheidend bleiben müssen, sieht der Vorstandsvorsitzende der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Ulrich Pohl, einen solchen Pflichtdienst als „Instrument zur Stärkung gesellschaftlicher Solidarität“.