Katholikentag der Zeitenwende

Katholikentag der Zeitenwende
Sorge um Menschen in der Ukraine prägt Beginn des Christen-Treffens
Ukraine, Klima, Corona: Wie vielleicht an keinem Katholikentag zuvor müssen die Veranstalter auf schwerwiegende Krisen reagieren. Immer wieder ist von einer Zeitenwende die Rede. Der Klimaforscher Schellnhuber spricht vom "Umzug der Menschheit".

Stuttgart (epd). Wie werden wir in Zukunft leben? Antworten darauf sucht zurzeit der 102. Deutsche Katholikentag in Stuttgart. Neben Ukraine-Krieg und globaler Corona-Pandemie dürfe der Kampf gegen den Klimawandel nicht in den Hintergrund treten, mahnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Baden-Württembergs Landeshauptstadt. Bis Sonntag nehmen laut Veranstaltern rund 25.000 angemeldete Besucher an dem Christentreffen teil.

Bereits zur Eröffnung des Katholikentages am Mittwochabend hatte Steinmeier zu einem anderen Lebensstil aufgerufen: Solidarität mit den Schwächsten der Welt und der Kampf gegen die Hungerkatastrophe erfordere ein Umdenken: „Dann werden wir anders leben, anders wirtschaften und ja, auch auf manches verzichten müssen“, sagte Steinmeier im Oberen Schlossgarten vor laut Veranstaltern rund 6.000 Menschen.

Die Folgen des Klimawandels können nach Überzeugung des Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber sehr viel dramatischer ausfallen als bislang angenommen. Im schlimmsten Fall könnten drei Milliarden Menschen ihren Wohnraum verlieren und deshalb in andere Regionen ziehen, sagte Schellnhuber am Donnerstag auf dem Katholikentag. „Wir reden vom Umzug der Menschheit“, betonte der frühere Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte, 80 Prozent der klimabedingten Vertreibung sei noch vermeidbar. Dazu brauche es aber eine „äußerst konsequente Klimapolitik“ mit weitreichenden Folgen auch für die Menschen in Deutschland. „Unser Lebensstil wird sich zwangsläufig ändern - es wird für alle unbequemer, aber erträglicher und sicherer“, sagte die Politikerin.

Die Sorge um die Menschen in der Ukraine und Aufrufe zum Frieden haben den Beginn des Katholikentages geprägt. Man bete für die Opfer des Konflikts, sagte der gastgebende Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, am Donnerstag vor rund 9.000 Besuchern beim zentralen Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Stuttgarter Schlossplatz.

Mit einem Aufruf zum Ende des Krieges in der Ukraine war der Katholikentag eröffnet worden. Dabei appellierte Steinmeier an die russische Regierung. „Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine, stellen Sie die Kampfhandlungen ein! Herr Putin, beenden Sie das Leid und die Zerstörung in der Ukraine! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück!“, sagte der Bundespräsident unter lang anhaltendem Applaus. Viele Besucher der Feier trugen Schals in den Farben Gelb und Blau der ukrainischen Nationalflagge.

Papst Franziskus erklärte in seiner Grußbotschaft aus Rom: „So sind wir in diesen Tagen mit unseren Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und wir beten für alle Menschen, deren Leben bedroht und beeinträchtigt ist.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, der Katholikentag finde in einer Zeit von zwei Krisen statt: Erderwärmung und Ukraine-Krieg. Er wünsche sich, dass die Teilnehmer während des Katholikentages Kraft und Zuversicht bekommen, um gestärkt aus den Tagen hervorzugehen.

Auf dem Abend der Begegnung wurden am Mittwochabend den Angaben zufolge 20.000 Menschen in der Stuttgarter Innenstadt gezählt. In rund 1.500 Veranstaltungen geht es bis Sonntag neben Klimagerechtigkeit, Flucht und Migration auch um Bildung, Gesundheit sowie um die Hilfe für Notleidende.

Viel Raum nehmen auch Debatten zu den Folgen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ein. Neben Gottesdiensten und einem geistlichen und spirituellen Angebot wartet auf die Besucher ein umfangreiches Kulturprogramm. Das Christentreffen wird in der Regel alle zwei Jahre vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) veranstaltet.