TV-Tipp: "Theresa Wolff: Waidwund"

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7. Mai, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Theresa Wolff: Waidwund"
Die schlechte Nachricht zuerst: Der zweite "Theresa Wolff"-Film muss ohne Thorsten Merten auskommen. Die Geplänkel zwischen der Leiterin der Rechtsmedizin (Nina Gummich) und dem Kommissar waren die Würze zum Auftakt der ZDF-Reihe.

Ein weiteres besonderes Element war die persönliche Betroffenheit der jungen Ärztin: Theresas erster Mordfall betraf die Ehefrau ihrer einstigen großen Liebe. In "Waidwund" führt die Spur in eine noch fernere Vergangenheit: Der Mann, dessen Leiche im Bismarckbrunnen auf dem Marktplatz schwimmt, ist vor seinem Tod durch den Wald gehetzt worden. Verblüfft stellt die Rechtsmedizinerin fest, dass sie ihn als Kind gekannt hat: Er war Mitglied einer Jagdgesellschaft, die sich regelmäßig gemeinsam mit ihrem Vater in einem Jagdhaus getroffen hat. Der kürzlich verstorbene alte Wolff war Förster, der Mann hat bei ihm den Jagdschein gemacht. Bruno Lewandowski (Aurel Manthei), der neue Leiter der Mordkommission, und sein Kollege Topal (Sahin Eryilmaz) brauchen nicht lange, um einen möglichen Täter zu finden. Das Mordopfer galt als "Wendegewinner", der sich Mitte der Neunziger viele Feinde gemacht hat, als er einen Volkseigenen Betrieb erst in ein lukratives Unternehmen verwandelte und dann angeblich vorsätzlich in die Pleite führte. Die Chefetage hatte ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht, der Finanzvorstand und die Prokuristin haben sich ins Ausland abgesetzt, aber viele Menschen haben ihren Job verloren; ein Mitarbeiter (Horst Kotterba) hat dem Unternehmer schon damals mit Mord gedroht und gilt daher nun als Hauptverdächtiger. 

Natürlich wäre diese naheliegende Lösung viel zu einfach. Außerdem ist da ja noch die Sache mit der Vergangenheit. Theresa hat ihren Vater als Kind oft ins Jagdhaus begleitet, aber ihre Erinnerungen sind bruchstückhaft. Allerdings kristallisiert sich nach und nach heraus, dass sich damals eine Tragödie ereignet haben muss; und sie war offenbar daran beteiligt. Als ein weiteres Mitglied der Gruppe stirbt, ist klar, dass irgendjemand eine alte Rechnung begleichen will. Aber warum erst jetzt? Für Lewandowski entwickelt sich der Fall zum Wettlauf mit dem Tod, denn er will verhindern, dass das dritte noch in Jena lebende Vorstandsmitglied ebenfalls getötet wird, aber die Rechtsmedizinerin ahnt: Nur wenn sie das Rätsel aus ihrer Kindheit löst, kann sie auch die Mordserie beenden.

Wie schon beim ersten Film ("Home Sweet Home", 2021) liegt der Reiz der Geschichte nicht zuletzt in der Befangenheit der Ärztin, zumal ihr Leitspruch "Wer den Tod begreifen will, muss erst mal das Leben verstehen" in diesem Fall nicht weiter hilft: Sie muss die Vergangenheit begreifen, um die Gegenwart zu verstehen. Wie sich das Puzzle des verhängnisvollen Abends nach und nach zusammensetzt, wie aus heiterem Himmel ein vermeintlich freundlicher Schatten aus jenen Jahren auftaucht, und wie sich schließlich rausstellt, dass Theresa als Kind unschuldiges Teil eines grausamen Komplotts war: Das ist ziemlich clever ausgedacht. Das Drehbuch stammt von Hansjörg Thurn und Carl-Christian Demke, Regie führte Bruno Grass, der zuletzt fürs ZDF zwei fesselnde Beiträge für "Sarah Kohr" gedreht hat. 

Im Vergleich zu der Thriller-Reihe orientiert sich "Theresa Wolff" zwar viel stärker am klassischen Krimi, aber Aurel Manthei erweist sich als würdiger Nachfolger von Thorsten Merten: Auch Lewandowski muss sich daran gewöhnen, dass die Rechtsmedizinerin gern als Erste am Tatort eintrifft und ihm auch sonst meist einen Schritt voraus ist. Herkunftsunterschiede sorgen zudem für weitere Differenzen: Der Kommissar ist ein ungeschliffener Typ, der von der Straße und ohne Höflichkeitsfloskeln gleich zur Sache kommt. Manthei spielt das gut und jederzeit glaubwürdig. Nina Gummich geht ohnehin in der Titelfigur auf und sorgt dafür, dass Theresa auch bei ihren einseitigen Zwiegesprächen mit den Toten nicht wunderlich wirkt. Da Praktikumsstellen befristet sind, hat nun Precious Wiesner die Rolle von Lea Drinda übernommen; sie macht das gleichfalls gut. Etwas unterfordert ist dagegen Peter Schneider als Theresas Stellvertreter, der sich immer noch nicht damit abgefunden hat, dass die Leitung der Rechtsmedizin an eine unerfahrene junge Kollegin vergeben worden ist; selbst bei der Praktikantin stichelt er gegen die Chefin. Ähnlich überflüssig sind einige unappetitliche Nahaufnahmen. Die Obduktionen dienen zweifellos der Wahrheitsfindung, aber aus Sicht des Publikums ist der Erkenntnisgewinn von Skalpellen, die sich in menschliches Fleisch senken, überschaubar.