Schulze: Hohe Getreidepreise bedrohen Stabilität in vielen Ländern

Schulze: Hohe Getreidepreise bedrohen Stabilität in vielen Ländern
Eine Finanzkrise, die Corona-Pandemie und eine Explosion im Hafen haben zu Verarmung vieler Menschen im Libanon geführt. Der Ukraine-Krieg droht die Lage zu verschärfen. Ministerin Schulze sieht beim Besuch viel Zerstörung, aber auch Hoffnung.

Berlin, Beirut (epd). Steigende Getreidepreise infolge des Ukraine-Krieges gefährden nach Einschätzung von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) die Stabilität in vielen Ländern der Welt. Zu Beginn einer dreitägigen Reise in den Libanon und nach Äthiopien erklärte sie am Sonntag, Ernährungssicherheit sei ein zentraler Teil von Sicherheitspolitik. Das werde im Libanon besonders deutlich. „Eine ohnehin schon schwierige Lage wird infolge des Kriegs in der Kornkammer der Welt noch dramatisch verschärft“, sagte sie. Der krisengebeutelte Libanon ist fast komplett abhängig von Weizen aus der Ukraine.

Das arabische Land am Mittelmeer muss mit mehreren Krisen gleichzeitig umgehen: Eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die seit Jahren andauert, sorgt für eine rasante Geldentwertung und bringt die Menschen um ihre Ersparnisse. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung weiter verschärft. Hinzu kam im August 2020 eine verheerende Explosion am Hafen wegen nicht sachgemäß gelagertem Ammoniumnitrat. Damals starben mehr als 200 Menschen, rund 300.000 wurden obdachlos.

Bei der Explosion wurde auch das Hauptsilo des Libanon mit den Getreidereserven zerstört. Die Ruinen am Hafen ragen als Mahnmal aus dem Schutt. Da große Bereiche von Trümmern übersäht und nach wie vor nicht funktionsfähig sind, können Getreidelieferungen nur mit kleineren Schiffen gebracht werden und müssen mühsam mit dem Bagger entladen werden. Schneller Nachschub ist also im Notfall nicht garantiert.

Nach Ankunft in Beirut besichtigte Schulze zunächst das Hafengelände. Begleitet wurde sie unter anderem von der beigeordneten Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms (WFP), Ute Klamert. Auch das WFP, das Nahrung zu den Hungernden bringt, aber vor allem versucht, Hungerkatastrophen zu vermeiden, hatte zuletzt die Hälfte seiner Weizenlieferungen aus der Ukraine bezogen.

Die Entwicklungsministerin hatte bei der Weltbank-Frühjahrstagung in Washington ein neues Bündnis für globale Ernährungssicherheit vorgeschlagen, um gegen die nach ihren Worten „drohende schwerste globale Ernährungskrise seit Jahrzehnten“ zu kämpfen. Im Libanon arbeiten seit Jahrzehnten viele Hilfsorganisationen, da könnte beispielsweise angesetzt werden.

Daher besuchte die Ministerin das auch von Deutschland geförderte Projekt „Matbakh el Kell“ („Küche für alle“), eine Gemeindeküche, die Essen ausgibt und kurzzeitige Arbeitsplätze für Menschen in Notlagen schafft. In den vergangenen 16 Monaten wurden dort den Angaben zufolge 330.000 Mahlzeiten für Menschen bereitgestellt, die besonders von der Explosion im Hafen betroffen waren.

Das Projekt ist in einem Gebäude nahe dem Hafen untergebracht, maßgeblich beteiligt ist die lokale Nichtregierungsorganisation „Souk El Tayeb“. Die Mitgründerin der Organisation, Christine Codsi, erzählte, wie sie nach der Explosion in dem völlig verwaisten Stadtviertel Mar Mikhael die Gemeindeküche und auch den zerstörten Bauernmarkt an einem neuen Standort aufgebaut habe. Sie sagte, dies habe Hoffnung verbreitet. Danach seien viele Menschen wieder in das Viertel zurückgekommen.

Der Libanon wurde seit 2012 laut Entwicklungsministerium mit rund 2,6 Milliarden Euro von Deutschland unterstützt, davon seien rund 1,7 Milliarden Euro aus dem Entwicklungsetat geflossen. Im Mittelpunkt stünden dabei Flüchtlinge und besonders gefährdete Libanesinnen und Libanesen. Das Fünf-Millionen-Einwohner-Land Libanon hat mehr als eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Hinzu kommen etwa eine halbe Million palästinensischen Flüchtlinge, die seit Jahrzehnten dort leben.

Am Montag steht der Besuch Schulzes bei weiteren Hilfsprojekten auf dem Programm. Am Nachmittag reist die Ministerin nach Addis Abeba, wo die Afrikanische Union ihren Sitz hat.