Margot Käßmann: Krieg in der Ukraine ist keine Zeitenwende

Margot Käßmann: Krieg in der Ukraine ist keine Zeitenwende
11.04.2022
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Hannover (epd). Die evangelische Theologin Margot Käßmann lehnt trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine massive Rüstungsinvestitionen in Deutschland ab. „Für mich ist das keine Zeitenwende, so grauenvoll dieser Krieg auch ist“, sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie verwies auf den andauernden Krieg in Syrien und auf den Krieg im Jemen. „Da verhungern gerade Millionen Menschen. Da schauen wir nur nicht hin. Wir sind auch durch Bilder gesteuert.“

Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonte: „Für mich ist weiterhin klar: Noch mehr Rüstung, noch mehr Waffen werden nicht mehr Frieden schaffen.“ Zu den Gewinnern in der aktuellen Situation gehöre die Rüstungsindustrie. „Das zeigt ein Blick auf die Aktienkurse.“ Die Nato sei bereits um ein mehrfaches besser gerüstet als Russland. Es sei nicht so, dass sie dringend nachrüsten müsste. „Ich bleibe dabei, dass nur durch Abrüstung Frieden entsteht.“

Um den Krieg zu beenden, seien Diplomatie, Sanktionen und auch Gespräche mit dem Aggressor Putin nötig. „So schwer das fällt“, sagte Käßmann. Sie kritisierte, dass Deutschland zwar Waffen in die Ukraine liefere, jedoch nicht bereit sei, auf russische Gaslieferungen zu verzichten.

Die Kirchen müssten aktuell zu Behutsamkeit und Bedachtsamkeit mahnen, forderte sie. Sie sei schockiert darüber, dass der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill seinen Einfluss auf Putin nicht nutze, um zum Frieden zu mahnen. Dennoch wäre es aus ihrer Sicht falsch, die russisch-orthodoxe Kirche aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen auszuschließen, erläuterte Käßmann.

Ebenso halte sie es für verkehrt, dass Städtepartnerschaften oder Partnerschaften von Universitäten nach Russland ausgesetzt würden. „Die Kirchen sollten jetzt mahnen, dass wir Gespräche brauchen.“ Wie Jesus müssten kirchliche Vertreterinnen und Vertreter dabei auch provokativ sein, wenn dies nötig sei.