Sachsenhausen-Prozess: Zeugenaussage soll posthum verlesen werden

Sachsenhausen-Prozess: Zeugenaussage soll posthum verlesen werden

Brandenburg an der Havel, Berlin (epd). Im Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann des KZ Sachsenhausen soll am Freitag eine Zeugenaussage des zu Wochenbeginn gestorbenen ehemaligen Häftlings Leon Schwarzbaum verlesen werden. Das Internationale Auschwitz Komitee würdigte die Möglichkeit, die Aussage posthum vortragen zu lassen, am Donnerstag als besondere Geste des Gerichts.

Schwarzbaum habe sich in seinen letzten Lebensjahren auf nichts „so akribisch und quälerisch“ vorbereitet, wie auf seine Aussagen bei NS-Prozessen, erklärte der geschäftsführende Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, in Berlin: „Er wollte den Angeklagten ins Gesicht sehen, auch wenn sie den Blick zu ihm hin verweigerten, wie damals in den Lagern.“ Schwarzbaum starb in der Nacht zu Montag mit 101 Jahren.

Die Aussage in Brandenburg an der Havel, die von seinem Anwalt verlesen werden soll, sei ihm sehr wichtig gewesen, betonte Heubner: „Er wusste, dass seine Tage gezählt waren und dass diese Worte sein Vermächtnis sein würden.“ Immer wieder habe Leon Schwarzbaum die NS-Täter in Briefen und in direkter Anrede daran erinnert, dass auch sie bald vor dem Höchsten Gericht stehen würden, erklärte Heubner: „Jetzt wartet er dort auf sie und steht weiterhin als Zeuge bereit.“

Am Freitag werden auch weitere Aussagen historischer Sachverständiger erwartet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 101-jährigen Angeklagten Josef S. Beihilfe zum Mord in mindestens 3.518 Fällen vor. Den Ermittlungen zufolge war er in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 Wachmann in Sachsenhausen. (Az.: 11 Ks 4/21) Der Prozess hat Anfang Oktober begonnen und soll voraussichtlich im April abgeschlossen werden.

Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.