Priester betet für getötete Kinder

Ukrainisch-Orthodoxer Gottesdienst
© epd-bild/Peter Jülich
Priester Petro Bokanov verteilt die Kommunion auch an die ganz Kleinen beim ukrainisch-Orthodoxen Gottesdienst in Frankfurt am Main.
Ukrainisch-orthodoxer Gottesdienst
Priester betet für getötete Kinder
Gläubige feiern in Frankfurt den ersten ukrainisch-orthodoxen Gottesdienst seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar. Sie suchen Trost im Gebet. Fast alle haben Verwandte in der ehemaligen Heimat und bangen um deren Sicherheit.

In der katholischen Pfarrkirche St. Dionysius sind orthodoxe Ikonen vor dem Altarraum aufgebaut, die gelb-blaue Flagge der Ukraine hängt über einer Brüstung. Als Priester Petro Bokanov die Gläubigen im gold- und fliederfarbenen Ornat begrüßt, sitzen etwa 20 Frauen, Männer und Kinder auf den Bänken. Es ist der erste ukrainisch-orthodoxe Gottesdienst in Frankfurt, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. "Viele unserer Gemeindemitglieder sind heute nicht hier, weil sie rund um die Uhr den Geflüchteten aus der Ukraine helfen," erklärt Bokanov später.

Die Tür der Kirche im Frankfurter Stadtteil Sindlingen bleibt offen. Eine Familie mit drei Kindern kommt durch den Mittelgang. Niemand stört sich an der Verspätung, alle lauschen dem Gesang der zwei Frauen in der ersten Reihe.

Es ist ein Fastengottesdienst mit Abendmahl. Priester Bokanov fragt, wer teilnehmen möchte. Viele der inzwischen etwa 50 Anwesenden heben die Hände. Eine Frau geht nach vorne und richtet Becher mit Wasser. Auch kleine Kinder empfangen mit einem kleinen Löffel ein Stück Brot von Priester Bokanov.
Nach dem persönlichen Segen für die Gottesdienstbesucher und -besucherinnen stehen alle auf, legen die rechte Hand aufs Herz und stimmen die ukrainische Nationalhymne an. Priester Bokanov und seine Frau halten die Flagge zwischen sich, kräftiger Gesang schallt durch das Gotteshaus.

Bokanov ist im Berufsleben Programmierer und ehrenamtlich Priester der Gemeinde der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde Frankfurt am Main und Mannheim. Während des Gottesdienstes betet er für die gefallenen Soldaten in der Ukraine, für die Freiwilligen und die 80 Kinder, "die nun Engelchen sind".
"Mir bleiben manchmal die Worte im Hals stecken", sagt er anschließend im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Alle haben doch keine Erfahrung mit einer solchen Situation", fügt er hinzu und meint damit die Angriffe auf sein Heimatland, das Leid der Menschen, die Gewalt, die Bomben und die zerstörten Städte.

Die Solidarität für die Ukraine hat viele Gesichter. In der ukrainischen Gemeinde in der katholischen Kirche St. Dionysius hat es einen orthodoxen Gottesdienst gegeben - für Geflüchtete aus der Ukraine, für ihre Familien und Angehörigen, für alle!

"Sie fühlen sich wie Verräter"

Familie Molnar ist mit drei Kindern aus Schwetzingen gekommen. Olena Molnar stammt aus der Ukraine, ihre Eltern haben bis vor wenigen Tagen dort gelebt. Ihr Mann Ferenc hat seine Schwiegereltern an der ukrainischen Grenze abgeholt und zu sich nach Hause gebracht. "Ich habe die Flüchtlinge gesehen und wie sie leiden, das hat mich sehr berührt", erzählt Ferenc Molnar. Seine Frau Olena ist froh, dass ihre Eltern in Sicherheit sind, "aber sie fühlen sich wie Verräter, weil sie das Land verlassen haben", sagt sie. Sie schämten sich, "weil sie Blumen sehen können und die Bomben nicht mehr hören".

Die Molnars versuchen sich abzulenken. "Mein Herz ist in 1.000 Teile zerbrochen, aber ich muss ruhig bleiben", sagt Olena. Das Paar hilft beim Spendensammeln, sortiert Kleidung und belädt Lkw. "Aber das ist nicht genug", sagt Ferenc leise. "Wir dürfen die Fassung nicht verlieren, sonst können wir nicht helfen", betont Andriy Bilous. Er lebt seit 1997 in Deutschland, hat aber ebenfalls noch Verwandte in der Ukraine. In seinem Wohnort Schmitten sind bereits einige Familien aus der Ukraine untergekommen, eine davon bei ihm und seiner Frau.

Gottesdienst gibt Kraft und tröstet

Von der Hilfsbereitschaft der Menschen hier ist Mariya Kolach sehr berührt. "Ich bekomme sogar Anrufe von den Eltern ehemaliger Schüler", sagt die Lehrerin, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Ihre Mutter und ihre Schwester leben im Westen der Ukraine, beide sind pflegebedürftig. "Meine Mutter will dort nicht weg", sagt Kolach. Sie habe Schuldgefühle, gesteht die 46-Jährige, weil sie nicht richtig helfen könne. Aber sie sammelt Geld, Medikamente, warme Kleidung. Der Gottesdienst habe ihr gut getan. Beim Gesang und beim Gebet habe sie eine innige Verbindung zu den anderen Gläubigen und zu Gott gespürt: "Ich war nicht alleine."

Das Gespräch mit Gott tröste ihn immer, sagt Priester Bokanov. Er habe sich Urlaub genommen, um den Flüchtlingen helfen zu können. Er sei bei ihnen und seinen Gemeindemitgliedern, wenn sie weinen und wenn sie schreien. "Ich hoffe, dass das alles schnell vorbei ist", sagt er. "Aber wir werden nicht aufgeben, wir werden unser Land verteidigen, mit der Armee und mit Gottes Hilfe." Bokanov glaubt, dass die Ukraine siegen wird, "die Frage ist nur, zu welchem Preis", fügt er düster hinzu.