Berliner wegen "NSU 2.0"-Drohschreiben angeklagt

Berliner wegen "NSU 2.0"-Drohschreiben angeklagt
Prozess am Landgericht Frankfurt am Main hat begonnen
Die Angeschriebenen wurden wüst beschimpft und bedroht. Die Unterschrift "NSU 2.0" unter den Briefen sollte eine neue rechtsextreme Terrorgruppe als Absender suggerieren. Einem Angeklagten aus Berlin wird eine Vielzahl von Vergehen vorgeworfen.

Frankfurt a.M. (epd). Zur Drohschreiben-Serie mit der Unterschrift „NSU 2.0“ hat am Mittwoch der Prozess am Landgericht Frankfurt am Main begonnen. Die Anklage beschuldigt den 54-jährigen arbeitslosen Berliner Alexander M., zwischen dem 2. August 2018 und dem 21. März 2021 insgesamt 116 Drohschreiben verfasst zu haben. Alle seien mit „Heil Hitler“ unterzeichnet gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan. Der Verfasser nannte sich häufig „SS-Obersturmbannführer“, manchmal auch „Uwe Böhnhardt“ in Anspielung auf das Mitglied der rechtsextremistischen Mordgruppe NSU, oder er bezeichnete sich als Polizeibeamter.

Die Schreiben waren dem Vortrag der Staatsanwälte nach in behördlicher Form verfasst, dabei gespickt mit vulgären Schimpfwörtern sowie ausländerfeindlichen und rassistischen Beleidigungen. Eine ganze Reihe dieser Mails und Faxe bedrohten die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz. „Ich reiß dir den Kopf ab“, hieß es darin neben ausländerfeindlichen Beleidigungen. Die Angeschriebene solle mit ihrer Familie schnell Deutschland verlassen, „am Tag x helfen euch keine Bullen. Blut wird fließen knüppelhageldick“.

Adressaten waren unter anderen auch Politikerinnen der Linken wie die jetzige Bundesvorsitzende Janine Wissler und Journalistinnen wie die „Panorama“-Moderatorin Anja Reschke und die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner. Auch Behördenvertreter erhielten Drohungen wie die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Nießen, oder Personen des öffentlichen Lebens, wie die Berliner Kabarettistin Idil Baydar.

In den Schreiben wurden die Adressaten wüst beschimpft und bedroht, unter anderem mit Formulierungen wie „verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden. Die Unterschrift „NSU 2.0“ spielte auf die rechtsextremistische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ an, die von 2000 bis 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete.

Da sich herausstellte, dass vor einigen Drohschreiben persönliche Daten der Betroffenen ohne Anlass auf Polizeicomputern in Frankfurt, Wiesbaden, Hamburg und Berlin abgerufen worden waren, hatte das den Verdacht auf rechtsextremistische Täter in Polizeikreisen gelenkt. Die Staatsanwaltschaft hält aber den über rechtsextremistische Chatgruppen aufgespürten Angeklagten für den alleinigen Täter. Der anfängliche Verdacht, Polizeibeamte könnten an der Datenabfrage beteiligt gewesen sein, habe sich nicht bestätigt. Alexander M. habe die Daten erlangt, indem er vorgegeben habe, Bediensteter einer Behörde zu sein. Er ist laut Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung vorbestraft und schon einmal rechtskräftig verurteilt worden, weil er sich fälschlich als Kriminalbeamter ausgegeben hatte.

Vor dem Prozess hatten Basay-Yildiz, Wissler, Baydar und weitere Betroffene es als einen Skandal bezeichnet, dass die Ermittlungen auf einen Einzeltäter konzentriert würden. Es gebe „zwingende Hinweise auf mindestens gezielte Datenweitergabe aus Polizeikreisen“. Sie forderten, die Ermittlungen auszuweiten auf eine militante rechtsradikale Szene, die Verbindungen in die Sicherheitsbehörden habe.

In der 120 Seiten umfassenden Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten neben 67 Fällen der Beleidigung eine ganze Reihe von Vergehen vor, unter anderem versuchte Nötigung, Bedrohung, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften, Angriff auf Polizisten sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz. Vor dem Prozess hat der Beschuldigte die Vorwürfe bestritten. Alexander M. hat für Donnerstag eine Stellungnahme angekündigt.

Für das Verfahren sind zunächst 13 folgende Verhandlungstage bis 28. April und danach weitere an jedem Donnerstag vorgesehen.