Neuer Vorschlag für Sterbehilfe-Regelung

Neuer Vorschlag für Sterbehilfe-Regelung
Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der assistierte Suizid in Deutschland nicht reguliert. Eine Gruppe von Abgeordneten will das ändern. Schon zu Beginn der Wahlperiode starten sie die Diskussion um das heikle Thema erneut.

Berlin (epd). Eine Gruppe von Abgeordneten aus nahezu allen Fraktionen im Bundestag startet einen neuen Anlauf zur Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung. Parlamentarier von SPD, FDP, Grünen, Union und Linken präsentierten am Donnerstag in Berlin einen Entwurf für ein Gesetz. Mit dem soll sichergestellt werden, dass Menschen, die sich mithilfe von Sterbehilfevereinen das Leben nehmen wollen, diese Entscheidung frei und verantwortlich getroffen haben und nicht aufgrund von äußerem Druck oder einer psychischen Krankheit. Zugleich fordern die Abgeordneten eine Stärkung der Suizidprävention in Deutschland. Ab sofort sammeln sie Unterschriften, um den Gesetzentwurf ins Parlament einbringen zu können. Dafür müssen mindestens fünf Prozent der Abgeordneten unterzeichnen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das erst 2015 verabschiedete Verbot der organisierten, sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt, mit dem die Aktivitäten von Sterbehilfevereinen unterbunden werden sollten. Das Gericht sah das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt. Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen etwa todbringende Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht. Dies wäre eine Tötung auf Verlangen, die in Deutschland weiter strafbar ist. Die Hilfe bei der Selbsttötung ist dagegen erlaubt und unterliegt seit dem höchstrichterlichen Urteil keiner Regulierung.

Die Abgeordnetengruppe um die Parlamentarier Benjamin Strasser (FDP), Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) schlägt nun zwar erneut ein Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung im Strafrecht vor. Die Suizidassistenz auch durch Organisationen soll unter bestimmten Bedingungen aber nicht rechtswidrig sein. Diese Regelung wäre damit ähnlich der für den Schwangerschaftsabbruch. Auch ein Verbot der Werbung für diese Form der Sterbehilfe sieht der Entwurf vor.

Zu den Bedingungen einer straffreien Sterbehilfe würden dem Vorschlag zufolge ein Beratungsgespräch sowie in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Psychiater oder eine Psychotherapeutin mit einem Mindestabstand von drei Monaten gehören. Bei der Beratung sollen Menschen, die den Gedanken eines Suizids in sich tragen, über Alternativen und mögliche soziale Folgen ihrer Selbsttötung aufgeklärt werden. Sind zwei Untersuchungstermine etwa aufgrund einer unheilbaren und weit fortgeschrittenen Krankheit nicht zumutbar, soll eine Untersuchung ausreichen.

Castelluci hofft auf einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens. „Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern“, sagte er. Wenn der Zugang dazu leichter wäre, als der Zugang zur palliativen Versorgung oder zu einer Therapie, entstünde eine „gefährliche Schieflage“.

Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther unterstrich, dass Suizidgedanken in der Regel nicht Ausdruck des Willens zu sterben seien, „sondern Ausdruck davon, eine Pause zu benötigen, einen Wunsch zu verspüren nach einer Zäsur aus einer unerträglich empfundenen Lebenssituation“. Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler stellte klar, dass Angebote eines assistierten Suizids für Kinder und Jugendliche ausgeschlossen seien.

Der Vorschlag der Abgeordnetengruppe wird voraussichtlich nicht der einzige Antrag bleiben. In der vergangenen Wahlperiode hatten eine Gruppe um die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr sowie die Grünen-Abgeordneten Katja Keul und Renate Künast Papiere vorgelegt, die den Akzent aber mehr auf das selbstbestimmte Sterben legten.

Helling-Plahr kritisierte den aktuellen Vorschlag ihrer Parlamentskollegen am Donnerstag als „nicht haltbar“. Die strafrechtliche Einkleidung und die in ihren Augen eng formulierte Anlegung an den 2020 für verfassungswidrig beurteilten Paragrafen würden dazu führen, „dass viele vor einer Hilfeleistung zurückschrecken“, erklärte sie. Menschen dürften in ihrem Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht abermals beschnitten werden.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte unterdessen, der assistierte Suizid müsse eine „sorgfältig geregelte Ausnahme bleiben“. Der Gesetzgeber müsse diese Ausnahme konsequent und flächendeckend durch Maßnahmen einhegen, die Menschen in Krisen unterstützen.