Sozialverbände sehen Probleme bei begrenzter Corona-Impfpflicht

Sozialverbände sehen Probleme bei begrenzter Corona-Impfpflicht
Die Corona-Impfpflicht für das Personal in der Pflege und im Gesundheitswesen bereitet den dort tätigen Verbänden zunehmend Sorge. Viele Fragen sind offen, die Betroffenen sehen mit Argwohn, dass eine allgemeine Impfpflicht auf sich warten lässt.

Berlin (epd). Die Warnungen vor negativen Auswirkungen der Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal werden lauter. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Maria Welskop-Deffaa, sagte am Dienstag in Berlin, es sei durchaus denkbar, dass die Impfpflicht ihr Ziel verfehle, die Situation in den Einrichtungen zu stabilisieren. Der Paritätische Gesamtverband spricht in einem Brandbrief an alle Bundestagsabgeordneten von „großer Sorge“ bei seinen Mitgliedseinrichtungen, und die Diakonie Deutschland fordert, die Einrichtungen dürften mit der Verantwortung nicht alleingelassen werden. Der Deutsche Pflegerat geht davon aus, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab Mitte März zu Kündigungen in der Branche führt.

Caritas-Chefin Welskop-Deffaa erklärte, wenn wegen der Impfpflicht Personal abwandere, werde man schnell nachsteuern müssen. In ihrem Verband gebe es entsprechende Signale aus Bundesländern wie Thüringen, Bayern oder Baden-Württemberg, wo die Zahl der Impfskeptiker höher und auch unter den Beschäftigten in Caritas-Einrichtungen größer sei als etwa in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Die Leitungen berichteten, dass Kolleginnen und Kollegen ankündigten, sich ab März andere Beschäftigungen zu suchen, sagte sie.

Welskop-Deffaa erinnerte daran, dass die Caritas gefordert hatte, die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit einer erweiterten oder allgemeinen Impfpflicht zu verknüpfen, um solche Entwicklungen zu vermeiden. Das werde nicht mehr gelingen, da eine breitere Impfpflicht voraussichtlich erst im Sommer wirksam werden könne, sagte sie. Umso wichtiger sei der Blick auf den kommenden Herbst. Sie erwarte von der Politik, dass sie das Land vorbereite, sagte die Caritas-Chefin. Die Zustimmung der Bevölkerung zu den Corona-Maßnahmen werde andernfalls weiter sinken.

Nach einer forsa-Umfrage im Auftrag der Caritas traut nur ein Drittel der Bevölkerung der Politik noch zu, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Zwei Drittel der Menschen glauben hingegen, dass die Erfahrungen in der Corona-Pandemie das Wir-Gefühl in der Gesellschaft schwinden lassen.

Der Paritätische Gesamtverband dringt in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Abgeordneten auf eine Entscheidung des Bundestags über eine allgemeine Impfpflicht „deutlich vor dem jetzt diskutierten Zeitpunkt Ende März“. Der Vorsitzende Rolf Rosenbrock und Geschäftsführer Ulrich Schneider fordern eine „Impfgesamtstrategie“. Dass die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wieder in Frage gestellt werde, führe in den Einrichtungen, für die sie schon bald gelten soll, zu Verunsicherungen.

Der Bundestag hatte im Dezember mit breiter Mehrheit eine Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen beschlossen, weil sie besonders gefährdete Menschen betreuen. Wer keine Impfungen nachweisen kann, der oder dem droht vom 16. März an ein Beschäftigungsverbot. Der Paritätische und auch die Diakonie kritisierten, zahlreiche Fragen zur Umsetzung seien noch ungeklärt.

Diakonie-Vorständin Maria Loheide forderte einheitliche Regeln für das ganze Bundesgebiet und betonte, dass aus Sicht der Pflege die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht folgen muss. Sie wäre ein wichtiges Zeichen gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, erklärte Loheide.

Der Deutsche Pflegerat geht davon aus, dass Kündigungen vorwiegend von Beschäftigten mit unterstützenden Tätigkeiten wie Betreuungsassistenten oder Küchenpersonal zu erwarten sind. Pflegerats-Präsidentin Christine Vogler sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag), in diesen Berufsgruppen herrsche „eine etwas geringe Impfquote“ als beim Pflegepersonal. Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Christel Bienstein, sagte den Funke-Zeitungen, jede Kündigung verschärfe den Personalmangel in der Pflege.