Juristin plädiert für differenzierte Beurteilung von Corona-Protesten

Juristin plädiert für differenzierte Beurteilung von Corona-Protesten

Berlin (epd). Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen müssen nach Einschätzung der Juristin Nicole Reese viel differenzierter beurteilt werden. Immer mehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gingen inzwischen auf die Straße, sagte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk, das am Sonntag verbreitet wurde. Durch die Berichterstattung in den Medien und das Agieren der Politik entstehe jedoch sofort die Assoziation, Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren, seien Corona-Leugner. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen, betonte die Juristin, die selbst eine Demonstration in Berlin mitorganisiert hat, die jedoch von den Behörden verboten wurde.

Sie selbst komme wie die meisten ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus „der linken, grünen Ecke“, einige seien aus dem liberalen oder konservativeren Spektrum, aber alle seien weit davon entfernt, Nazis oder Corona-Leugner zu sein. „In unserer Bewegung leugnet wirklich niemand Corona“, betonte Reese. Sie seien lediglich gegen einige Maßnahmen wie die Impfpflicht und vor allem Schulschließungen. Dennoch, und obwohl sie sich an alle Maßnahmen wie das Tragen von Masken und Abstandsregeln hätten halten wollen und das auch so kommuniziert hätten, sei ihre Kundgebung vorsorglich verboten worden, aus der Erwägung heraus, dass auch Menschen aus dem „Querdenker“-Spektrum hätten teilnehmen können, die sich nicht an die Maßnahmen gehalten hätten.

„Und wenn wir so weite Verbote haben, dann bleibt von unserem Versammlungsrecht ja nichts mehr über.“ Ein Verbot müsse Ultima Ratio sein. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass die Polizei mit mehr Einsatzkräften die Demonstration begleitet und sie dann hätte auflösen können, wenn gegen die Maßnahmen verstoßen worden wäre, sagte Reese. „Aber sie von vornherein zu verbieten, halte ich für rechtlich sehr bedenklich.“ Insgesamt sei das Demonstrationsrecht im Rahmen der Corona-Verordnung zum Teil sehr massiv eingeschränkt worden. „Das halte ich für sehr schwierig in einem Rechtsstaat.“

Wer allerdings bei Demonstrationen Gewalt anwende, verwirke seinen Anspruch, seine Grundrechte einzufordern, betonte Reese. „Gewalt geht gar nicht. Wir wollen keine politischen Parolen, wir wollen nicht mit Nazis auf die Straße gehen.“ Um die Spannungen in der Gesellschaft zu verringern, sollten die Behörden aber weniger restriktiv gegen Kritik vorgehen. „Ich glaube, dann hätten wir weniger Gewalt, wir hätten weniger Frust auf allen Seiten“.