Wissenschaftler kritisieren zu zögerliche Corona-Politik

Wissenschaftler kritisieren zu zögerliche Corona-Politik

Köln (epd). In einem Appell an Bund und Länder fordern 35 führende Mediziner und Wissenschaftler anderer Disziplinen eine konsequentere Pandemiebekämpfung. „Jeder Tag des Abwartens kostet Menschenleben“, heißt in dem dreiseitigen Aufruf, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag) veröffentlichten. Statt die Verantwortung für ein Brechen der vierten Welle zunehmend „ins Private“ und „in den Ermessensspielraum jedes einzelnen Menschen zu verlagern“, müsse die Politik endlich „ihrer Verantwortung umfassend gerecht werden“, mahnen die Experten.

„Die derzeitige pandemische Situation hat das Potenzial, die Situation aus dem Frühjahr und vergangene Wellen in den Schatten zu stellen“, warnen die Wissenschaftler. „Einmal mehr ist der Zeitpunkt für frühzeitiges Handeln allen Warnungen zum Trotz verstrichen.“ Das Infektionsgeschehen breite sich unkontrolliert aus, das Gesundheitssystem laufe Gefahr zusammenzubrechen. „Es ist für uns unverständlich, dass die Verantwortungsträger dieses Landes eine solche Situation zugelassen haben.“

Die Autoren kritisieren den zeitweiligen Rückbau von Test- und Impfzentren sowie eine politische Festlegung von Zeitpunkten für ein angebliches Ende der Pandemie: „Niemand kann seriös voraussagen, wann die Pandemie enden wird.“ Es sei notwendig, die Realität anzuerkennen: „Dieses Virus wird die Welt noch eine Weile in Atem halten. Es wird nicht einfach verschwinden.“

Für eine effektive und sachlich fundierte Pandemiebekämpfung schlagen die Forscher unter anderem einen nationalen Krisenstab mit Fachleuten aus Virologie, Medizin und dem Bereich Öffentliche Gesundheit vor. Dieses Gremium solle die notwendigen parlamentarischen Entscheidungen mit wissenschaftlicher Expertise fundieren. Wichtig sei auch eine aufrichtige Kommunikation, die den Bürgerinnen und Bürgern „auch unangenehme Wahrheiten zumutet sowie klare und konsistente Verhaltensrichtlinien vorgibt“.

Federführend verantworten der Kölner Internist Michael Hallek und die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann den gemeinsamen Text der Forscherinnen und Forscher aus allen Teilen Deutschlands. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Markus Beier, der Intensivmediziner Christian Karagiannidis (Witten/Herdecke), die Virologen Ralf Bartenschläger (Heidelberg) und Nicole Fischer (Hamburg-Eppendorf), der Infektiologe Norbert Suttorp von der Berliner Charité und der Immunologe Carsten Watzl (Dortmund). Auch die Soziologen Heinz Bude (Kassel) und Armin Nassehi (München), die Politologen Maximilian Mayer (Bonn) und Elvira Rosert (Hamburg) und der Ökonom Andreas Peichl vom ifo Institut (München) unterstützen den Aufruf mit ihrer Unterschrift.