"Gefühlt waren es hundert Leute"

"Gefühlt waren es hundert Leute"
Prozess zu Angriff auf jüdisches Restaurant in Chemnitz
Im August 2018 geriet das sächsische Chemnitz wegen rechtsradikaler Ausschreitungen in die Schlagzeilen. Damals wurde in der Stadt auch das jüdische Restaurant "Schalom" angegriffen. Drei Jahre später muss sich ein Mann dafür verantworten.

Chemnitz (epd). Im Prozess um den Angriff auf das jüdische Restaurant „Schalom“ in Chemnitz vor drei Jahren haben am Mittwoch mehrere Zeugen ausgesagt. Bei der antisemitischen Attacke 2018 war der Wirt des Restaurants, Uwe Dziuballa (56), durch Steinwürfe an der Schulter verletzt worden. Laut Anklage entstand ein Sachschaden von 500 Euro. Verantworten muss sich seit Montag vor dem Amtsgericht Chemnitz ein 30-jähriger Mann aus Niedersachsen.

Die Anklage wirft ihm gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vor. Der Beschuldigte sowie weitere Angreifer sollen mindestens fünf faustgroße Schottersteine und eine Bierflasche auf den Restaurantbetreiber geworfen haben. Zudem soll der Wirt mit den Worten „Judensau! Verschwinde aus Deutschland!“ beleidigt worden sein. Das Urteil im Prozess wurde noch am Mittwoch erwartet. Zuvor sollten am Nachmittag weitere Zeugen aussagen.

Andere Beteiligte des Angriffs konnten damals nicht gefasst werden. Auf die Spur des Niedersachsen waren die Ermittler gekommen, weil der 30-Jährige vorbestraft ist und ein DNA-Abgleich Übereinstimmung brachte.

Da dem Beschuldigten die antisemitische Beleidigung nicht zweifelsfrei zugeordnet werden konnte, hatte die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft dazu keine Anklage erhoben. Sie geht aber von einer rechtsextremen Tatmotivation aus. Dem Beschuldigten droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Bei seiner Zeugenaussage vor Gericht sagte der Restaurant-Betreiber aus, er sei am Abend des 27. August 2018 routinemäßig vor sein Restaurant gegangen, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Kurz darauf habe er einen dumpfen Schlag an der Schulter gespürt. Um ihn herum habe es geknallt.

Zuvor habe er eine Gruppe dunkel gekleideter Menschen, „eine schwarze Masse“, wahrgenommen, einige Angreifer hätten direkt vor dem „Schalom“ auf der Straße gestanden. „Gefühlt waren es hundert Leute, real zwischen zehn bis zwölf Personen“, sagte Dziuballa. Sie hätten „Judensau“ und „Verschwinde!“ gerufen. Einige von ihnen seien vermummt gewesen. Er könne sich noch an Augen erinnern, die voller Hass gewesen seien, sagte der Wirt.

Eine Zeugin, die zum Zeitpunkt des Angriffs in dem jüdischen Restaurant saß, berichtete ebenfalls von einem lauten Knall. Als sie nachschauen wollte, was los ist, habe der Wirt sie wieder reingeschoben und gesagt: „Geh rein, das ist kein Spaß.“

Der Angriff ereignete sich im Umfeld rechtsextremer Aufmärsche im August 2018 in Chemnitz, bei denen es zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Er wurde erst Tage später öffentlich bekannt.

Auslöser für die Aufmärsche, mit denen Chemnitz bundesweit Negativ-Schlagzeilen machte, war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Chemnitzers am Rande des Stadtfestes. Wegen des tödlichen Angriffs wurde 2019 ein Syrer zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Vor Gericht sagte auch ein Bereitschaftspolizist aus, der nach dem Angriff auf das „Schalom“ mit vor Ort war. Der Wirt habe seiner Einschätzung nach nicht unter Schock gestanden, habe den Vorgang sachlich geschildert. An anderer Gast aus dem „Schalom“ berichtete dagegen, Dziuballa sei sehr aufgeregt gewesen.

Am Tatort habe die Polizei „relativ kleine Steine“ gefunden sowie eine Eisenstange, zwei Holzlatten und eine kaputte Bierflasche, sagte der 31-jährige Polizist vor Gericht. Beschädigungen am Gebäude habe er nicht feststellen können. Es sei aber auch „sehr dunkel“ gewesen.