"Brot für die Welt" fordert humanitäre Zugänge nach Afghanistan

Evakuierungsflug der Bundeswehr
© epd-bild/Bundeswehr/Marc Tessensohn
Evakuierungsflug der Bundeswehr am 17.08.2021 für Deutsche und Staatsbürger anderer Länder sowie Afghanen, die für deutsche Streitkräfte, Polizei oder Hilfsorganisationen gearbeitet haben und nun die Rache der radikal-islamischen Taliban fürchten.
"Brot für die Welt" fordert humanitäre Zugänge nach Afghanistan
Deutschland dürfe Afghanistan jetzt nicht völlig im Stich lassen, sondern müsse sich für humanitäre Zugänge einsetzen, fordert "Brot für die Welt". Es verlangt auch mehr Einsatz in anderen Teilen der Welt, etwa bei der Verteilung von Impfstoffen.

Berlin (epd). Das Hilfswerk „Brot für die Welt“ hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, sich für Zugänge für Hilfsorganisationen nach Afghanistan einzusetzen. Deutschland und der Westen dürften sich jetzt nicht zurückziehen und die Menschen ihrem Schicksal überlassen, sagte die Präsidentin der evangelischen Organisation, Dagmar Pruin, am Donnerstag in Berlin. Gemeinsam mit der EU müsse sich die deutsche Regierung dafür einsetzen, dass die neuen Machthaber Zugang zu Notleidenden gewähren. Afghanistan sei schon seit vielen Jahren auf Hilfe angewiesen, durch Dürre, wirtschaftliche Not und zuletzt auch Corona. „Elf Millionen Menschen hungern in Afghanistan“, sagte Pruin.

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hatte die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Land ausgesetzt. Nach dem Vormarsch der Islamisten beschloss sie außerdem, auch Helfer deutscher Entwicklungsorganisationen auszufliegen. Die späte Entscheidung zur Evakuierung rechtfertigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch im Bundestag mit dem „Dilemma“, dass man das Land nicht habe im Stich lassen und die Entwicklungsarbeit habe fortsetzen wollen. Pruin forderte eine schonungslose Aufklärung über die Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan, die zur nun dramatischen Situation geführt hat.

„Brot für die Welt“ legte am Donnerstag seinen Jahresbericht vor. Das Hilfswerk unterstützt nach eigenen Angaben rund 1.800 Projekte weltweit mit Schwerpunkten in Afrika, Südamerika und Asien. In in Afghanistan selbst ist das Hilfswerk nicht aktiv, allerdings die Schwesterorganisation „Diakonie Katastrophenhilfe“.

Im Jahr der Corona-Pandemie hat die Organisation einen Spendenrekord eingefahren. Insgesamt gingen 76,8 Millionen Euro an Spenden und Kollekten ein, 12,4 Millionen Euro mehr als 2019. Das Jahresergebnis für 2020 enthält allerdings auch die Weihnachtskollekten aus dem Jubiläumsjahr 2019, als das Hilfswerk 60. Geburtstag feierte. Wegen der Corona-Pandemie wurden die Weihnachtsgottesdienste 2020 größtenteils abgesagt. Bei den Kollekten, die erst im Jahresbericht für dieses Jahr einfließen werden, rechnet das Hilfswerk Pruin zufolge mit deutlichen Einbußen in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags.

Von der künftigen Bundesregierung forderte „Brot für die Welt“ einen engagierteren Kampf gegen den Klimawandel und Armut in der Welt. Alle politischen Ressorts müssten einen Beitrag zum sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen, sagte Pruin. Die Menschen in armen Ländern, die den Klimawandel nicht verschuldet hätten, litten am meisten unter den Folgen durch den Verlust von Land und daraus resultierenden Hunger.

Zudem sprach sie von einer Verschärfung von Armut und Elend durch die Corona-Pandemie. Durch die Reduzierung von Behandlungsprogrammen während des Lockdowns sei etwa bis 2025 mit bis zu 1,4 Millionen zusätzlichen Tuberkulose-Toten zu rechnen. Pruin forderte auch eine Ausweitung der Produktion von Covid-19-Impfstoffen. Während in Deutschland über die dritte Impfung geredet werde, seien in Afrika noch nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung geimpft. Sie verlangte auch eine Abgabe von Impfdosen an ärmere Länder. Deutschland hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bislang 3,7 Millionen Impfstoffdosen an die Initiative Covax abgegeben, die die Mittel an ärmere Ländern verteilt.