Opposition verlangt Aufklärung über Scheitern in Afghanistan

Opposition verlangt Aufklärung über Scheitern in Afghanistan
Die Opposition fordert in der Afghanistan-Debatte des Bundestags Aufklärung über das Scheitern des Einsatzes und die zu späte Rettungsmission. Die Kanzlerin rechtfertigt ihren Kurs. Sie will retten, was zu retten ist, und auch mit den Taliban reden.

Berlin (epd). In der Afghanistan-Debatte des Bundestags hat die Opposition am Mittwoch Aufklärung über die Verantwortung für das Scheitern des Einsatzes am Hindukusch verlangt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die späte Entscheidung zur Evakuierung von Helfern deutscher Entwicklungsorganisationen. Sie betonte in ihrer Regierungserklärung zum Auftakt der rund zweistündigen Aussprache, sie wolle keine Verantwortung abschieben, aber auf die sehr schwierige Entscheidungssituation hinweisen. Der Bundestag sollte im Anschluss an die Aussprache über das Mandat für die Evakuierungsoperation entscheiden.

Merkel erklärte, hätte man früh mit dem Abzug der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen begonnen, wäre das von einigen vielleicht begrüßt, von anderen als Im-Stich-Lassen gewertet worden. „Im Nachhinein präzise Analysen zu machen, ist nicht wirklich kompliziert“, sagte sie. Die internationale Staatengemeinschaft habe aber nicht hinterher entscheiden können. Die Kanzlerin betonte abermals, dass die Staaten, darunter Deutschland, unterschätzt hätten, wie schnell die afghanischen Sicherheitskräfte den Widerstand gegen die vorrückenden Taliban aufgeben würden.

Nach der Machtübernahme der Taliban hat die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan gestoppt. „Das war unerlässlich“, sagte Merkel. Dennoch wolle die Staatengemeinschaft sich dafür einsetzen, dass möglichst viel von dem bewahrt werde, was durch den 20-jährigen Einsatz in Afghanistan für die Menschen erreicht worden sei, sagte Merkel. Dabei sprach sie sich auch für Gespräche mit den Taliban aus. „Die Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan“, sagte sie. Diese Realität sei bitter, „aber wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen“.

Die Opposition machte der Regierung schwere Vorwürfe. Es hätten Hunderte Menschen mehr evakuiert werden können, wenn man früher damit begonnen hätte, erklärte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Aus dem Scheitern des Einsatzes müssten politische Konsequenzen gezogen werden. Aber jetzt stehe die Linderung von Leid im Zentrum. Lindner forderte, afghanische Flüchtlinge vor allem in den Nachbarländern zu versorgen und dafür die internationale Hilfe zu erhöhen.

Lindner und die grüne Parteichefin Annalena Baerbock setzten sich für einen internationalen Afghanistan-Gipfel ein und forderten Merkel auf, die Initiative zu ergreifen. Baerbock warf der Regierung vor, ihrer außenpolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, weil innenpolitische Ziele höher gewertet worden seien, nämlich weiter Menschen nach Afghanistan abschieben zu können. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, nannte es „kurzsichtig, kaltherzig und verantwortungslos“, dass die Regierung nicht bereits im Frühjahr mit den Evakuierungen begonnen habe.

Grüne, FDP und die Linke forderten einen Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl, während der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sich zwar ebenfalls für eine umfassende Aufklärung aussprach, aber eine Enquetekommission vorschlug, die weniger Möglichkeiten hat, Akten einzusehen und Zeugen zu befragen. Die AfD-Fraktion warnte als Folge des Scheiterns in Afghanistan vor den Flüchtlingen aus dem Land. Fraktionschef Alexander Gauland sagte, es dürfe nur Asyl geben für eine dreistellige Zahl von Ortskräften, die für die Deutschen gearbeitet haben, „aber für niemandem darüber hinaus“. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) betonte hingegen die moralische Verpflichtung Deutschlands, die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen.

Seit Montag vergangener Woche werden mit Maschinen des Militärs deutsche Staatsbürger und soweit möglich Helfer der Staaten, die am internationalen Truppeneinsatz beteiligt waren, ausgeflogen. Bis Mittwochmorgen verließen laut Verteidigungsministerium in den Bundeswehrmaschinen mehr als 4.600 Menschen das Land. Berichte über einen möglichen Zeitpunkt des letzten deutschen Evakuierungsfluges bestätigte das Verteidigungsministerium am Mittwochvormittag nicht. Ein Sprecher sagte, „aus Sicherheitsgründen“ könnten keine Angaben über den Ablauf des deutschen Abzugs gemacht werden.