Berlin, Kabul (epd). Die Situation am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul wird immer gefährlicher: Am Montagmorgen kam es zu einem Feuergefecht zwischen unbekannten Angreifern und afghanischen Sicherheitskräften. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr auf Twitter mitteilte, waren auch deutsche und US-amerikanische Soldaten an dem Gefecht beteiligt. Eine afghanische Sicherheitskraft sei getötet worden, drei weitere seien verletzt worden. Deutsche Soldaten wurden den Angaben zufolge nicht verwundet.
Seit der Machtübernahme der Taliban vor etwa einer Woche bringen westliche Länder ihre Staatsangehörigen und weitere schutzbedürftige Menschen wie afghanische Ortskräfte ausländischer Streitkräfte über den Flughafen Kabul außer Landes. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat allein die Bundeswehr inzwischen rund 3.000 Menschen evakuiert. Den deutschen Kräften stehen den Angaben nach inzwischen auch Hubschrauber zur Verfügung.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sprach von einem „begrenzten Zeitfenster“ für die Evakuierungsaktion. Bislang wurde von Evakuierungen bis zum 31. August ausgegangen, es wird aber über eine Verlängerung diskutiert. Ein Taliban-Führer erklärte in einem Interview mit dem britischen Sender Sky News in Doha, eine Verlängerung der Frist komme nicht in Frage. Laut deutschem Außenamtssprecher wird sich parallel um Lösungen für den Zeitpunkt danach bemüht.
Auch für ehemalige Ortskräfte von Bundeswehr und anderen deutschen Organisationen, die sich in Nachbarländern Afghanistans aufhielten, werde nach Lösungen bemüht. Details nannte der Sprecher nicht. Bei der Zahl deutscher Staatsbürger, die sich aktuell noch in Afghanistan befinden, ging das Ministerium von einer niedrigen dreistelligen Zahl aus.
Tausende, die vor den Taliban fliehen wollen, versuchten weiterhin auf das Flughafen-Gelände zu gelangen. In dem Gedränge kommen immer wieder Menschen zu Tode, allein am Sonntag starben mindestens sieben. Laut Bundesinnenministerium sind inzwischen mehr als 1.800 afghanische Staatsbürger über die Evakuierungsflüge nach Deutschland eingereist.
Derweil haben die Taliban drei Bezirke im Norden Afghanistans offenbar von örtlichen Milizen zurückerobert, wie der arabische Sender Al-Dschasira berichtete. Als erstes Anzeichen für einen sich formierenden Widerstand gegen die Taliban-Herrschaft hatten die Milizen am Wochenende drei von den Aufständischen eroberte Distrikte in in der Baghlan-Provinz wiedergewonnen.
Die Taliban erklärten zudem, das Pandschir-Tal, die letzte nicht von ihnen nicht kontrollierte Provinz, sei von ihren Kämpfern eingeschlossen. In dem Tal etwa 150 Kilometer nördlich von Kabul hat Ahmed Massud, Sohn des früheren Nordallianz-Führers Ahmend Shah Massud, gemeinsam mit dem früheren afghanischen Vizepräsidenten Amrullah Saleh zum Widerstand aufgerufen.
Das Bundesentwicklungsministerium bestätigte derweil, dass afghanischen Ortskräften der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ein Jahresgehalt angeboten wurde, wenn sie in Afghanistan bleiben und weiter für die Organisation arbeiten. Es habe sich um ein „Hilfsangebot“ an jene gehandelt, die freiwillig dort bleiben wollten, sagte ein Sprecher. Wie der „Spiegel“ berichtete, mussten sie im Gegenzug schriftlich garantieren, dass sie sich nicht für das Ortskräfte Schutzprogramm der Bundesregierung registrieren. Die Unterschrift eines Dokuments sei aus rechtlichen Gründen erfolgt, sagte der Sprecher, ohne dies näher zu erläutern.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan wurde nach der Taliban-Eroberung des Landes ausgesetzt, doch die humanitäre Hilfe läuft weiter. Rund eine Millionen Kinder leiden laut Unicef derzeit unter schwerer akuter Mangelernährung.