Dubai, Kabul (epd). Die Vereinten Nationen warnen vor Racheaktionen der Taliban in Afghanistan. Laut einem internen UN-Bericht suchen die Islamisten systematisch nach Gegnern und ihren Angehörigen, wie der britische Sender BBC am Freitag berichtete. Demnach überprüfen Taliban-Kämpfer auch die Identität von Afghaninnen und Afghanen, die auf dem Weg zum Flughafen sind.
Gleichzeitig mehren sich Berichte, dass eine Reihe ehemaliger Regierungsmitarbeiter, die sich in der vergangenen Woche ergeben hatten, verschwunden oder in Taliban-Gefangenschaft sind. Der frühere Gouverneur der Provinz Laghman, Abdul Wali Wahidsai, und der Ex-Polizeichef der Provinz seien in den Händen der Taliban, berichtete der Sender Tolo News. Beide hatten sich vor fünf Tagen der radikal-islamischen Miliz ergeben. Ein ehemaliger Polizeidistriktchef in der Provinz Ghazni soll verschwunden sein.
Die Taliban hatten am Dienstag bei ihrer ersten Pressekonferenz seit der Machtübernahme eine umfassende Amnestie für alle Regierungsmitarbeiter und Armeeangehörige angekündigt. Sie hatten zudem versichert, dass sich ehemalige Ortskräfte der internationalen Streitkräfte nicht vor Angriffen fürchten müssten.
Derweil blieb die Lage am Flughafen Kabul auch am Freitag weiter kritisch. Hunderte Familien warten darauf, einen Platz in einem Evakuierungsflugzeug zu bekommen. Am und im Flughafen sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden. Die Hilfsorganisation Emergency, die in Kabul eine Klinik betreibt, hat nach eigenen Angaben fünf Menschen mit Schusswunden behandelt, die vom Flughafen kamen.
Auch ein Deutscher ist auf dem Weg zum Flughafen angeschossen worden, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin erklärte. Er sei aber nicht lebensbedrohlich verletzt und werde bald ausgeflogen.