Berlin (epd). Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die Bundesregierung aufgefordert, mit den Nachbarstaaten Afghanistans bereits jetzt in Gespräche über die Übernahme zu erwartender Flüchtlinge einzutreten. Schutzberechtigten mit Bezügen zu Deutschland, etwa durch Familienangehörige oder Arbeitsverhältnisse, müssten die Zusage bekommen, nach Deutschland geholt zu werden, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Günter Burkhardt, am Freitag in einer Online-Pressekonferenz. Diese Zusage bräuchten auch die betreffenden Länder, sagte Burkhardt. Er befürchtet, dass sie absehbar ihre Grenzen schließen, um sich vor Flüchtlingen aus Afghanistan abzuschotten.
Die Taliban könnten Afghanistan nicht dauerhaft zum „Freiluftgefängnis“ machen, sagte Burkhardt. Er räumte ein, nicht einschätzen zu können, ob und wie Menschen die Flucht aus dem Land nach Machtübernahme der Taliban gelingen kann. Die Grenze nach Pakistan sei aber zumindest teilweise offen, sagte er.
Pro Asyl warf der Bundesregierung angesichts der aktuellen dramatischen Lage „Totalversagen“ vor. Die Organisation habe den Ministerien bereits Ende April Vorschläge vorgelegt, wie Ortskräfte und ihre Familien aus dem Land geholt werden können. Neben Auswärtigem Amt, Bundesinnenministerium und Kanzleramt richtete er auch Vorwürfe an das Entwicklungsministerium. Es habe sich nicht darum gekümmert, wie Beschäftigte von Entwicklungsorganisationen das Land verlassen können, kritisierte Burkhardt.
In der akuten Situation, in der Menschen verzweifelt versuchen, zum Kabuler Flughafen zu kommen, forderte Burkhardt zu Gesprächen mit den Taliban auf, um zu erreichen, dass die Menschen durch die Kontrollpunkte gelassen werden. Zudem bräuchten sie ein Dokument, in dem ihnen bescheinigt wird, dass sie in Deutschland einreisen dürfen. Dabei forderte Burkhardt, die „Engführung auf Kernfamilie und Arbeitsverträge“ zu beenden. Auch volljährige Kinder, Eltern von Ortskräften und Menschen, die über Subunternehmen für die Bundeswehr oder andere deutsche Institutionen gearbeitet haben, müssten aufgenommen werden.